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Schwule werden
werbeträchtig. Jüngstes Beispiel dafür sind die beiden Vorzeige-Gays
Max und Holger, die für Iglo-Vierstern-Gefriermenüs über die Mattscheibe
flimmern. Dürfen wir nun auch bald mit dem ersten lesbischen Werbepärchen
rechnen? Fehlanzeige! Die zuständige Agentur McCann-Ericsson bekannte gegenüber
der Berliner Morgenpost in anerkennenswerter Ehrlichkeit, ein Lesbenpaar - Mathilde
und Hannelore etwa - käme dafür genau so wenig in Frage wie zum Beispiel
zwei Lederschwule. Ihnen fehle die nötige Symbolkraft als Lifesstyle-Leitfiguren.
Deutlich gesagt: Wir haben keinen Stil, meine Damen!
Aber seien wir mal ehrlich: Wir wissen, dass wir mehrheitlich in Zwei-bis Dreizimmerwohnungen
wohnen, wenn überhaupt, einen Kleinwagen fahren, im Urlaub ins Frauenferienhaus
reisen oder von Privat eine Ferienwohnung in einer abgelegenen Gegend mieten und
am liebsten Selbstgekochtes und nicht Tiefgefrorenes essen. Das liegt daran, dass
Lesben, wie alle Frauen, eher weniger verdienen als Männer. Ausserdem sind viele
Lesben durch Öko- und Frauenbewegung für den hemmungslosen Konsumismus
unwiderbringlich verloren. Viele Lesben fordern, dass man den Energieverbrauch reduziere
sollte, kaufen im Ökoladen und verzichten ohne schweres Leiden auf Zweitwohnung
und -fernseher. Die meisten Lesben, die ich kenne, spüren, selbst wenn sie passionierte
Autofahrerinnen oder Vielfliegerinnen sind, manchmal einen Hauch von schlechtem Gewissen.
Lesben, die ausnahmsweise reich sind, reden meist nicht groß drüber, sondern
genießen lieber im Stillen oder geben dicke Spenden. Darauf sollten wir im
Zweifel sogar stolz sein, finde ich.
Management und die Werbebranche bewerten derart konsumfeindlichen Starrsinn ganz
anders - wenn sich solche Leute überhaupt die Mühe machen, Lesben und ihre
Einstellungen zu studieren: Wir ruinieren schamlos die freie Marktwirtschaft! Kein
Wunder, dass die Werber uns ignorieren!
Ganz anders Schwule: Über sie existieren reihenweise profitträchtiger kollektiver
Vorurteile: dauershoppende Doppelverdiener, die zwischen gutbezahltem Arbeitsplatz,
stilvoller Bar, luxuriös und nach neuester Mode ausgestaltetem Eigenheim, Saunaexzessen
und Urlauben in Sitges, Amsterdam oder San Francisco hin- und herpendeln, den Präser
immer in der Tasche und ständig auf der Suche nach neuer Fleischeslust, der
sie mit der gleichen Kennermiene zusprechen wie feinen Weinen und delikatem Essen.
Auch in der Welt der Kultur ist der Klischee-Schwule der Hetero-Phantasiewelt zu
Hause, egal, was die Eintrittskarte kostet. Dass die meisten Schwulen durchaus viel
arbeiten, wenig Zeit und oft genug auch wenig Geld haben und nicht durchgängig
jeden Abend von einem Vergnügen zum nächsten hecheln, spielt fürs
kollektive Image keine Rolle. Vereinzelte Vorzeigelesben mit kulturellem Glamour
wirken dagegen wie die Ausnahme von der Regel.
Immerhin haben anscheinend genügend heterosexuelle Artgenossen überhaupt
eine Vorstellung von Schwulen und schwulen Paaren. Wie falsch sie im Einzelfall auch
sein mag, sie ist so präsent und amüsant, dass sie das Konsumvolk zum Kaufen
animiert.
Fragt man Durchschnitts-Heteros dagegen danach, wie sie sich Lesben vorstellen, dann
dürften die meisten in tiefes, leider ganz und gar nicht bedeutungsschwangeres
Schweigen verfallen. Sie wissen einfach nichts von uns. Wir existieren nicht in der
kollektiven Phantasie! Und deshalb taugen wir auch nicht zum Symbol für irgendwas,
schon gar nicht für Lifestyle. Wir fallen, trotz aller Pseudo-Aufklärung
durch die Mainstream-Medien, in ein gesellschaftliches Ignoranzloch. Analog zum (ziemlich
blöden) Leitspruch der frühen Bundesrepublik: "Wir sind wieder wer!",
könnte man über die Lesben sagen: "Wir sind noch immer niemand."
Dabei wären wir als Werbefiguren für Katzenfutter, ökologische Lebensmittel,
Yoga-Kurse oder die alternative Stromerzeugung kaum zu überbieten.
Das zeigt glasklar, wieviel wir der heterosexuellen Mehrheit dieses Landes noch beibringen
müssen. Packen wir`s also an! Und überlassen wir den Iglo-Fertigfraß
ruhig denen, deren Kochkünste sich auf das Aufreißen von Pappdosen beschränken.
Ariane Rüdiger
Photo: lespress-Gefrierfach (2 Sterne) |
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