Kusinen im Karnevalstaumel  
  Die preußische Damen-Schlager-Kapelle bewies ordentliches Stehvermögen in rheinischer Fröhlichkeit. Hier berichten sie aus erster Hand von kleinern Entgleisungen, Fressanfällen und kölnisch-berlinerischer Annäherung.

Köln im Februar 2004. Die Menschen sind jeck, sogar die Lesben. Und die Schwulen sowieso. An den Haltestellen warten Menschen mit roten Pappnasen, Männer mit dicken Bäuchen haben kleine runde Hütchen auf, an denen hinten lustig ein Papiergänseblümchen wippt. Die Kusinen, Kult-Kapelle aus Berlin, haben sich auf den Weg an den Rhein zum Karneval gemacht, im Gepäck: goldene Schlager. Aus dem Staunen kommen die fünf platinblonden Musikerinnen an fünf Wochenenden Köln nicht mehr heraus. Aber lassen wir sie selbst erzählen:


"Köln helau!", ruft Tina fröhlich, als sie aus dem weißen Robben & Wientjes-Bus mit Berliner Kennzeichen auf dem Parkplatz hinter dem Bürgerhaus Stollwerk hopst. Doris ist sauer: "Das heißt hier 'Alaaf' oder Aloha'", klärt die Schlagzeugerin ihre Bass-Kusine auf. Immerhin hat Doris einige Jahre ihres Lebens im schönen Nörvenich verbracht und kennt sich mit rheinischem Brauchtum bestens aus. Die 6-stündige Fahrt von Berlin nach Köln zur Sitzung der "Jecken Lesben" mit dem schönen Motto "Wilder Westen" hat Doris für einen Crash-Kurs Kölscher Lebensart an und für sich und Karneval im Speziellen genutzt - da sollten so Kleinigkeiten wie die ordnungsgemäße Begrüßung eigentlich sitzenÖ
Kusinen im KarnevalDrei Sitzungen bei den Jecken Lesben und sechs Gloria-Sitzungen später haben wir viel erlebt, viel fotografiert, viel zu verarbeiten und viel zu erzählen. Haben fleißig Vokabeln gelernt und werden in keiner Brennerei mehr fragen, was denn um Himmelswillen ein "Hämchen" oder "ne halve Hahn" ist. Wegen der Fress-Anfälle (rheinische Küche ist ja sooooo lecker) haben wir fast alle dezent zugelegt (endlich wieder shoppen gehen!) - nur unsere Uschi war in den zünftigen Brauhäusern nicht wirklich glücklich: "Könnte ich wohl einen extra großen Beilagen-Salat und eine doppelte Portion garantiert speckfreie Bratkartoffeln haben", fragte unsere singende Vegetarierin immer wieder. Zum Glück waren die Köbisse (oder wie heißt die Mehrzahl der Köllschen Kellner, so fortgeschritten sind wir noch nichtÖ) sehr verständnisvoll, so dass Uschi immerhin nicht verhungern musste.


Der Saal im Bürgerhaus Stollwerk ist an allen drei Abenden proppevoll. "Aber warum stehen denn überall Tische und Bänke, da kann doch niemand tanzen", fragt Tina, die zum ersten Mal auf einer Karnevalssitzung ist. Dass die Frauen natürlich prima schunkeln können, wenn sie kuschelig eng aneinandergerückt im rechten Winkel zur Bühne auf Bierbänken hocken, erschließt sich während der Veranstaltung spätestens, als die Grande Dame des Karnevals, Mottolieder-Queen Marie-Louise Nikuta geeignetes Liedgut schmettert. Susi und Tina verstehen kaum ein Wort (die Kölnerinnen reden doch sonst eher hochdeutsch???) und müssen Uschi (gebürtige Iserlohnerin), Gitti (ihre Freundin ist ein echtes Kölsches Mädchen) oder Doris (Diaspora in Nörvenich) übersetzen lassen. Es geht wohl darum, wie toll Köln, die Kölner an und für sich und der Kölsche Dialekt sind, vom Kölner Dom mal ganz abgesehen. Lokalpatriotismus pur: das versteht jede Ur-Berlinerin und empfindet sofort tiefe Sympathie mit den Rheinländerinnen. Abgesehen davon, dass wir im Stollwerk auch liebe Bekannte wie Duotica-Schätzchen Marion Scholz wieder trafen - Quäl mich mit Heißwachs!
Doris und zwei MariechenUnd weil das Motto mit dem Wilden Westen so hübsch ist, haben wir uns auch ganz passend angezogen. Mit Premiere, liebe Kölnerinnen: In 10 Jahren "Die Kusinen" hat sich unsere Doris bislang erfolgreich geweigert, einen Rock zu tragen, bei den Jecken Lesben machte sie DIE Ausnahme, mit Erfolg, wie unser Fotoalbum (demnächst auf: www.diekusinen.de) beweist. Was denn wohl Berliner Musikerinnen beim Karneval in Köln zu suchen hätten, wurden Gitti und Uschi von einer Kölner Taxifahrerin gefragt. Nun, der Schlager eignet sich einfach zum Feiern. Alle verstehen die Texte, und die Menschen im Publikum tanzten stehend auf den Bierbänken zu "Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben". Auch was Verwandtes zwischen den Kulturen an Spree und Rhein. Noch Fragen?


Vom Stollwerk hieß es flott ins Gloria zu kommen: an einem der Wochenenden waren wir doppelt gebucht. "Das passt schon!", versicherte Moderatorin und jecke Lesbe Clarissa. "Wir kooperieren." Und tatsächlich: Es passte. Dank Clarissa, Chantall,
Maike und all den Mädels, die uns halfen, unser Equipment in Windeseile im Bus zu verstauen, und unserer Keyboard-Gitti, der Karten-Lese-Königin. Zum Glück schaffte es ausnahmsweise sogar Susi, unsere Gitarristin und Stolper-Queen trotz hoher Absätze unverletzt in den Bus.
Gloria, Apostelnstraße. Schwul-lesbisch - und auch ganz schön Hetero. Und wieder liebe Freunde: Regisseur Sascha Korf, uns Kusinen als Moderatoren-Schätzchen Annette Küppersbusch vom Grand Prix Colonia 1999 noch liebevollst in Erinnerung oder die Kutschallas, Elfie diesmal ohne Gaby - weil leider wegen Krankheit verhindert - aber dafür mit Sia Korthaus. Und so schließt sich der Kreis: Die Kutschallas waren die ersten schwulen Männer, die bei den Jecken Lesben auf der Bühne standen und Sia ist die erste Lesbe, die die Gloria-Sitzung Co-moderiert. Wenn das kein Zeichen ist?! Und wir Kusinen (Berlinerinnen!!!) mitten mang?!
"Rosa Funken", " Pink Poms", die "Stattgarde Colonia Ahojî, Marie-Louise Nikuta, aber auch Kölsche Barden wie Brings, Paraplüs und - wir konnten es kaum fassen - die CHEERLEADER DES 1. FC KÖLN!!! (Leider konnten uns die schwulen Jungs nicht erklären, was denn nun Schwule mit Fußball am Hut habenÖ bei den Jecken Lesben hätten wir den Auftritt der knackigen, langhaarigen, blonden Sweeties mit ihrer sexy Show vielleicht noch eher nachvollziehen können -. immerhin sind doch UNSERE Mädels nun Fußballweltmeisterinnen. Aber hat schon mal eine von schwulen Fußballfans gehört???)
Well. Noch ein Unterschied zwischen Lesben und Schwulen: Während die Lesben ihre Künstlerinnen mit einer "Rakete" hochleben lassen, verwenden die Schwulen den "Beamer". Und da ist die Sympathie der Berliner Lesben dann doch ganz p.c.: Rakete?! Tstststs, liebe Jecken LesbenÖ


PC oder auch nicht, nach einigen Reagenzgläschen Kölsch relativiert sich vieles. Zum Beispiel, dass einige von uns eigentlich auf ein frisch gezapftes Pils stehen. Diese lustigen Karussells, in denen so einige Reagenzgläser Kölsch Platz finden, stiften wirklich neue Freundschaften. Und so säuselt Uschi plötzlich dem schnuckeligen Mirko von der "Stattgarde Colonia Ahoj" ins Ohr: "Sollte ich jemals Kinder wollen..." Und Doris posiert mit dem Standartenträger der "Rosa Funken". Tina hat inzwischen ihren neuen "Lieblings-Schlager" entdeckt und umgetextet: "Nee, wat war dat in Kölle ne supajeile Zick. Mit Träne in de Ooge loor i ständisch zurückÖ" ("Nein was war das in Köln, für ne super geile Zeit, mit Tränen in den Augen schau ich ständig zurückÖ." )
Wie schön, dat unsere Gitti schon die Kölsch-Berlinische- Brücke (nicht nur rein musikalisch) geschlagen hat: Unser Berlin-Köln- Karneval-Medley (uraufgeführt bei den Jecken Lesben) werden Die Kusinen nun in die Karnevals-Diaspora nach Berlin tragen. Erfüllt von ganz schnulzigen Erinnerungen an Köln, den Karneval und (wie immer) DIE LIEBE. Was für ein Auftakt unseres zehnten Jubiläums-Jahres. Kölle Aloha!

Eure Kusinen Doris, Susi, Uschi, Gitti & Tina


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