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Dark Angel,
James Camerons Science-Fiction-Serie um Max, eine gentechnisch manipulierte junge
Frau, die ihr Leben trotz all seiner Widrigkeiten zu meistern versucht und nebenbei
noch, u. a. mit Hilfe ihrer lesbischen besten Freundin Original Cindy, gegen das
Böse kämpft, um die Guten zu beschützen, geht auch im deutschen Fernsehen
in die zweite Runde [dienstags, 20.15 h, Vox].
Nach dem vielversprechenden Anfang in der ersten Staffel, was die Behandlung
der Lesben angeht, folgt in der zweiten und letzten Staffel erst einmal Enttäuschung,
denn gegenüber vorher spielt das Thema der Homosexualität hier eine weitaus
kleinere Rolle.
Interessant ist dabei allerdings, daß bei einer der wirklich dünn gesäten
Szenen, die sich doch damit befassen, nicht etwa Original Cindy, sondern Max im Mittelpunkt
steht: In einer Episode schläft sie in der Badewanne ein und hat einen wüsten
Traum, in dessen Verlauf sie die Mutter eines Freundes kennenlernt, bei der es sich
um eine Wahrsagerin handelt, welche ihr unbedingt die Zukunft vorhersagen will. Als
diese Max' Bemerkung bezüglich eines Jungen in ihrem Leben verneint, erwidert
diese, sie habe sich schon gedacht, daß es ein blondes Mädchen sein werde...
Hier ist wohl die Frage berechtigt, ob es sich bei diesem Traum um einen Wunschtraum
handelt ó ein Gedanke, den die Dark Angel-Verantwortlichen wohl nicht ernsthaft
und nur mit einem kleinen Augenzwinkern andeuten, der für das lesbische Publikum
aber natürlich dennoch reizvoll erscheint, zumal die Sexualität der Lesbe
aus der ersten Staffel, also Original Cindy, hier kaum noch gezeigt wird.
Cindy-Darstellerin Valarie Rae Miller erläuterte in einer Talkrunde, daß
die sexuelle Orientierung ihrer Figur den ProgrammmacherInnen bei FOX von Anfang
an ein Dorn im Auge war (Zitat: "Does she have to be gay? Why does she have
to be gay?" ("Muß sie unbedingt lesbisch sein? Warum muß sie
lesbisch sein?")) und von ihnen sowohl in Frage gestellt als auch heruntergespielt
wurde, so daß während der zweiten Staffel der lesbische Handlungsbogen
fast völlig entfernt wurde. [Die Informationen stammen aus der Diskussionsrunde
"Playing Gay in Primetime", die von der Gay & Lesbian Alliance Against
Defamation (GLAAD) veranstaltet wurde. Eine weitere Teilnehmerin war übrigens
Kerry Weaver-Darstellerin Laura Innes von Emergency Room.]
Außer der letzten Folge, in der sie von ihrem Chef Normal als "Sapphos
Tochter" bezeichnet wird, gibt es daher nur zwei Szenen, die Original Cindys
Interesse an der weiblichen Bevölkerung darstellen: In einer davon tauscht sie
in der Kneipe tiefe Blicke mit einer hübschen Blondine und sagt zu Max, sie
solle sich ruhig Zeit für ihr geplantes Gespräch mit einem Freund lassen,
damit sie sich während dieser Zeit der anderen jungen Frau widmen könne,
während sie in einer anderen Episode lediglich im Hintergrund mit einer "Verwandten"
von Max mit Katzengenen flirten darf.
Andere Andeutungen könnten möglicherweise als Hinweise auf ihre sexuelle
Identität dienen, erfodern dazu aber einiges an Phantasie. Als Original Cindy
beispielsweise zum ersten Mal ein ihr bisher unbekanntes Haus betritt, erklärt
sie: "Ich hab' auch mal in so 'ner Hütte gehaust, mit 'ner dominikanischen
Tussi, Veronica." Ihr folgendes "O Mannomann" kann sich sowohl auf
die Wohnungseinrichtung als auch auf die genannte Frau beziehen, deren Verhältnis
zu Cindy leider nicht weiter ausgeführt wird...
Jedoch wird in der zweiten Dark Angel-Staffel die enge Beziehung
zwischen Max und ihrer besten Freundin fast noch fühlbarer als in der ersten.
Immer wieder versucht Original Cindy ihre eigentlich ganz und gar nicht wehrlose
Freundin zu beschützen und setzt sich auch sonst ohne Rücksicht auf eigene
Belange sehr für sie ein, indem sie etwa Normal immer wieder hinsichtlich Max'
Abwesenheit vom Dienst anlügt oder sich sogar in Lebensgefahr begibt, um "mein
Mädchen", wie Cindy Max wiederholt betitelt, zu retten. Als Max ihre Zelte
abbrechen will, um woanders ein neues Leben zu beginnen, erklären sich die beiden
jungen Frauen zum Abschied in einer herzzerreißenden Szene gegenseitig ihre
Liebe ó rein platonisch, versteht sich, auch wenn in typisch männlicher Manier
der "harmlose" Umgang der beiden miteinander gerne mit anzüglichen
Bemerkungen bedacht wird. So kommt Alec, ein Freund von Max, einmal herein, als Original
Cindy ihre beste Freundin mit einer Umarmung trösten will und ihre Stirn gegen
die von Max lehnt, woraufhin dieser mit einem etwas zweideutigen Unterton fragt,
ob er "ungelegen" käme.
Passenderweise kommt auch Cindys kämpferische oder zumindest kritische Seite,
insbesondere was die Männer angeht, nicht zu kurz, etwa wenn sie diese mit Hunden
vergleicht.
Es wäre sicherlich interessant zu sehen, was in späteren Staffeln noch
von Original Cindy zu erwarten wäre. Jedoch wurde, angeblich weil Dark Angel-Macher
James Cameron das Budget regelmäßig weit über die Schmerzgrenze des
ausstrahlenden Senders Fox überzogen hat, die Serie nach den beiden behandelten
Staffeln nicht weitergedreht, so daß wir dies nicht mehr erleben werden ó leider,
denn nicht nur Inhalt und Form der Serie sind sehr interessant, sondern sämtliche
Charaktere sind vielschichtig und realistisch gezeichnet, und es wäre schön
gewesen, ihre Entwicklung weiterhin verfolgen zu können.
Es ist wirklich schade, daß Dark Angel aller Voraussicht nach nicht
fortgesetzt wird, nicht zuletzt wegen der wirklichkeitsnahen Darstellungsweise der
Personen sowie der gesellschaftlichen und politischen Strukturen, wobei auch das
Frauenbild wahrheitsgetreu, machmal fast erschreckend realistisch, geschildert ist:
Es gibt ebenso einen "Fleischmarkt" mit weiblichen Wesen, die von Männern
bloß als Sexualobjekte gesehen werden, wie auch selbstbewußte, eigenständige
Frauen wie Max und Cindy ó die allerdings auch von Zeit zu Zeit, und dann eher ungern,
in die o. g. Rolle schlüpfen, um irgend etwas zu erreichen.
Und hier ist insbesondere der Science-Fiction-Aspekt von Interesse. Original Cindy,
die in einer beliebigen anderen Serie als lesbische Frau eine Sonderstellung gegenüber
der heterosexuellen Mehrheit einnehmen würde, steht im Handlungsbogen von Dark
Angel, bei dem die Polarität zwischen den "Normalen" und den Genmanipulierten
(die im übrigen als differenzierte, empfindsame Wesen dargestellt sind) immer
auffallender wird, für einen "normalen" Menschen. Dies wird besonders
in einigen persönlichen Gesprächen mit Max, die ihrerseits darunter leidet,
daß sie selbst nicht zu den "Normalen" gehört, deutlich, da
hier die Lesbe die heterosexuelle Frau trösten muß, indem sie ihr versichert,
daß sie eben doch dazugehört.
Diese Ironie hinsichtlich der heutigen Realität, in der homosexuelle Menschen
noch immer von einigen als krank und "unnormal" gesehen werden, ist nicht
nur höchst erfrischend, sondern wirkt sicherlich insbesondere wie Balsam auf
der Seele der lesbischen Zuschauerinnen.
Da stört es auch nicht weiter, daß in der zweiten Staffel der Serie Original
Cindy kaum noch als sexuelles Wesen dargestellt ist (selbst wenn die Schuld für
diese Entwicklung wieder einmal in den Bedenken der Programmverantwortlichen zu suchen
ist), da auf diese Weise hier um so deutlicher ihre "Normalität" gezeigt
werden kann: Entgegen der Vermutung mancher Heten denken gleichgeschlechtlich l(i)ebende
Menschen eben nicht nur an Sex, sondern haben die gleichen Sorgen, Nöte und
Freuden wie andere auch. Dies wird hier eindringlich geschildert.
Es scheint also, als sei die Gleichberechtigung der Lesben zumindest in Dark Angel
erreicht, denn die Lesbe wird hier, endlich, als normaler Mensch behandelt.
Kein Wunder, daß die Serie abgesetzt wurde ó diese Sicht der Dinge gehört
wohl noch immer in den Bereich der Science-Fiction...
Aber vielleicht gibt es ja demnächst wieder eine qualitativ ähnlich hochwertige
Serie, die nicht gleich nach zwei Staffeln abgesetzt wird. Zu hoffen wäre es
zumindest.
Jutta Swietlinski |
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