"Bloß keinen Personenkult!"

 
  Ein Gespräch mit Gabriele Bischoff  
 
Gabriele Bischoff, Geschäftsführerin der Landesarbeitsgemeinschaft Lesben in NRW, wird am 6. März 40 Jahre alt

Gabriele Bischoff, Photo: Karin Dauenheimer"Bloß keinen Personenkult!" Mit diesem Ausruf reagierte Gabriele auf meine Interview-Anfrage. Sie ließ sich dann doch überzeugen, dass so ein runder Geburtstag ein guter Anlass sein kann, um einmal innezuhalten und zurück zu schauen.
Wer sie kennt, weiß um ihre konsequente Art, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Dafür wird sie geschätzt, gelegentlich auch gefürchtet, denn wenn es drauf an kommt, kann sie unerbittlich sein.
Als sie Ende der 80er Jahre ihr lesbisches Erwachen erlebte, fand sie eine etablierte Frauen-Szene vor, in der Lesben aber seltsam unsichtbar waren. Konsequent begann sie damit, Lesben in der Frauenbewegung sichtbarer zu machen. Dass daraus einmal eine effektiv arbeitende landesweite Arbeitsgemeinschaft mit ministerieller Förderung werden wird, an deren Spitze sie selber steht, hat sie damals wohl selber nicht für möglich gehalten. Ihr Elan ist ansteckend und das dichte lesbenpolitische Netz in Nordrhein-Westfalen hat für viele Menschen aus Politik und Medienlandschaft sowie für Lesben- und andere verbündete Gruppen ein Gesicht: das Gesicht von Gabriele Bischoff.
Ihr Büro im Hause der Frauenberatungsstelle in der Düsseldorfer Ackerstraße gleicht einer Schaltzentrale: Faxe, Anrufe, E-mails, Post, Broschüren, Faltblätter, Rundbriefe, Plakate gehen hier unablässig aus und ein. Und keine Besucherin verläßt das Zimmer, ohne mit Material versehen worden zu sein, das sie selber brauchen oder in ihrer Umgebung an die Frau bringen kann.
Natürlich wäre das alles nicht möglich ohne die vielen Frauen im Lande, die mit Engagement und Phantasie die unterschiedlichsten Formen für lesbische Lebenskultur finden. Gabriele bündelt, vernetzt und verwaltet, berät und vermittelt zwischen "oben" und "unten", "drinnen" und "draußen". Sie nimmt die Ideen der Frauen auf und sie hat selber immer wieder Ideen, die dem Ziel dienen, lesbisches Leben in seiner Vielfalt in NRW sichtbar zu machen.

Wenn Du jetzt einmal ein Resümee ziehst...

... kann ich sagen, dass wir wirklich viel erreicht haben, wir haben ein dichtes Netz von Frauen- und Lesbenorten und trotzdem hört die Arbeit nicht auf, weil das Ziel ja eigentlich ein utopisches ist, an dem wir noch sehr lange, wahrscheinlich immer zu tun haben werden. Es findet ja immer wieder ein Generationenwechsel statt. Inzwischen sind Frauen nachgewachsen, die zehn, zwanzig Jahre jünger sind, die ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen einbringen. Die Nachwachsenden haben bestimmt nicht das Gefühl, es ist nun alles getan.

Als Du im Jahr 89 aktiv einstiegst in die frauenpolitische Arbeit, fandest Du bereits ein etabliertes Frauen-Netz vor. Was waren für Dich persönlich die Auslöser für Deinen Entschluss, die Frauen-Szene von Düsseldorf mit zu gestalten?

Ja, den Termin Herbst 89 kann ich deswegen so genau benennen, weil da sehr Unterschiedliches zusammen kam:
- Im Mai hatte ich mein Abi auf der Abendschule gemacht und hatte nun Zeit nachzudenken, will ich jetzt studieren, will ich im Beruf bleiben.
- Der Verein Frauenkommunikation, kurz "Komma", hatte eine Zeitung heraus gegeben, deren letzte Nummer im Sommer 89 erschien. Es wollte mir nicht in den Kopf, dass eine Stadt wie Düsseldorf plötzlich keine Frauenzeitung mehr haben sollte! Und so gab es dann im September 89 ein Treffen von 15 Frauen, auf dem wir entschieden: wir machen weiter eine Frauenzeitung!
- Dann kam dieser 9. November. Da war plötzlich viel von Freiheit die Rede und vom Ende des Staatssozialismus. Aber zu einem Teil der Frauenbewegung gehörten ja auch die sozialistischen Ideale. Da gab es viel Irritation. Und auch ganz praktisch gab es Probleme: so bekam die Druckerei der Frauenzeitung keine Aufträge mehr von der DKP, weil diese keine Unterstützung mehr aus der DDR bekam und so weiter...Infolgedessen ging auch einiges an Frauenstrukturen kaputt.

Was motivierte Dich aber dazu, besonders Lesben innerhalb der Frauenbewegung sichtbarer zu machen?

Ich hatte im Sommer 88 mein Coming out erlebt, war das erste Mal mit einer Frau zusammen, die meine Liebe erwiderte und wo ich das zum ersten Mal auch leben konnte, so heimlich und kompliziert es zunächst auch war, zumal mit Mitte/Ende 20. Und ich fand es überraschend, dass ich die lesbische Szene in meiner Heimatstadt Düsseldorf bisher kaum wahrgenommen hatte. Ich wußte vom Cafe "Rosa Mond", ja. Aber es wurmte mich, dass Lesben in der Frauenbewegung gar nicht zu sehen waren. Das wollte ich verändern, zunächst einfach, um mir das Coming out zu erleichtern.
Als ich mit meiner damaligen Freundin nach Wuppertal zum Frauenschwoof fuhr, sah ich dort 1000 Frauen tanzen und Spaß haben miteinander! Und wir dachten, das kann doch nicht wahr sein, dass wir dafür nach Wuppertal fahren müssen! So holten wir mit über 600 Unterschriften den Frauenschwoof der "Komma" aus dem kleinen Clubraum in den großen Saal vom "Zakk". Daraus entstand dann im Laufe der Jahre eine Kooperation, um das kulturelle und politische Frauen- und Lesbenangebot in Düsseldorf zu erweitern.
Inzwischen studierte ich Germanistik und Philosophie und engagierte mich natürlich auch an der Uni im Frauen/Lesbenreferat, bin dann für die Feministischen Liste im Sommer 92 für ein Jahr in den AStA-Vorstand gegangen.

Du bist in Düsseldorf aufgewachsen, hast eine jüngere Schwester. Was fällt Dir ein, wenn Du weiter zurück gehst, in die Zeit, wo Du noch ein Kind warst? Was warst Du für ein Mädchen?

Ich war ein furchtbar ruhiges Kind. Ich habe das Gefühl, dass ich fast ausschließlich in meinem Lieblingssessel saß und las, von Hanni und Nanni bis Karl May, auch Jungenbücher, wo es um Sport ging. Und ich weiß noch, dass ich dachte: "Oh, Sport, das muss ja was Tolles sein!" Aber in unserer Familie hatte meine Schwester diesen Part, immer draußen, immer laut, immer frech. Ich dagegen war die Leise, Ruhige, ich war immer das Kind "für gut". Das änderte sich etwas mit der Pubertät, ich wurde Fortuna-Fan und fuhr zu Fussballspielen ins Stadion. Bis das mit dem Rassismus und Anti-Semitismus in den so genannten Fan-Blocks Überhand nahm.

Fällt Dir etwas ein, das Dich im persönlichen Umfeld formte und prägte?

Da kann ich auf jeden Fall dankbar davon berichten, was für wunderbare Frauen ich in meinem Leben kennen gelernt habe. Da gab es eine Tante, die wusste immer genau, was sie wollte und hat langfristig geplant, und sie hat mir mit ihrem großen Herzen in meinem Leben mehr als einmal zur Seite gestanden. Oder ich denke an eine Arbeitskollegin im Notariat. Sie hat mir beruflich viel beigebracht, darüber hinaus nenne ich sie auch meine "politische Ziehmutter", weil sie immer die richtigen Fragen stellte, um mich politisch zu bilden. In meinem Elternhaus spielte Politik keine Rolle, und wenn, dann in einer Weise, wie ich es nicht für richtig hielt.

Gibt es auch etwas in Deinem Leben, das Du heute bereust? Würdest Du aus heutiger Sicht bestimmte Entscheidungen anders fällen?

Es gibt schon Einiges, was ich bereue und was ich gerne ungeschehen machen möchte. Das hatte wohl viel mit Unsicherheit und mit meiner Ungeduld zu tun, weil ich dann auch dickköpfig war und die Dinge sofort erledigt haben wollte und schwer abwarten konnte. Oder dass ich manchmal nicht genau hingekuckt habe und losgeprescht bin und Vorwürfe gemacht habe. Ich kann mich erinnern, dass ich mal einer Frau ihr Tun und Handeln vorgeworfen hab, was absolut ungerechtfertigt war. Da hab ich mich in ein anderes Leben eingemischt, wo ich mich heute frage, wie konnte ich das nur tun?

Deine berufliche Entwicklung verlief nicht geradlinig.

Ich habe von 79 bis 81 Notariatsfachangestellte gelernt, nicht mein Traumberuf, ich wollte eigentlich Masseurin oder so was werden, irgendwas mit Menschen. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, Abi zu machen und zu studieren. Ich komme aus einer Arbeiterfamilie, da kam keinerlei Ermutigung in dieser Richtung. Im Gegenteil, sie fanden das in Ordnung, dass ich nach der 10. Klasse das Gymnasium verließ und einen Beruf ergriff. Im Büro kam ich mit den Leuten gut aus, lernte gern, genoss die Selbständigkeit und eigenes Geld zu haben. Das änderte sich dann mit 23 Jahren. Da endete meine erste langjährige Beziehung mit meinem damaligen Freund. Ich hatte plötzlich viel Zeit und kannte viele Leute, die auf der Abendschule ihr Abi machten. Ehemalige KlassenkameradInnen ermunterten mich und so meldete ich mich an der Abendschule an. Journalistik an der Henry-Nannen-Schule wollte ich studieren. Leider gehörte ich zu den 4000 BewerberInnen, die sie nicht nahmen. So entschloss ich mich dann zu Germanistik und Philosophie. Nach dem Magisterabschluss mit einer Arbeit über Annemarie Schwarzenbach jobbte ich weiterhin halbtags im Notariat und suchte eine Stelle, die mir Spaß macht, wo ich selbstständig arbeiten kann, vielleicht sogar politisch und auf keinen Fall in der Werbung oder anderen Profitbereichen. Für den Eine-Welt-Promotor in Düsseldorf habe ich damals ein Jahr gearbeitet und hatte an dieser politischen Arbeit viel Spaß. Diese Zusammenarbeit kann ich heute auch gut für die Arbeit von der LAG nutzen, da ein Schwerpunkt unserer Arbeit ja lesbisches Leben als Asylgrund ist. Dann hörte ich im Sommer 98, dass die damals gegründete Landesarbeitsgemeinschaft Lesben in NRW eine Geschäftsführerin sucht! Das war schon genau das, was ich machen wollte, mein Können als Organisatorin in einem politischen Non-Profit-Bereich, der mich auch persönlich angeht, einbringen und sehr verantwortlich eigenständig und doch in einem Team von vielen Engagierten arbeiten. Ausserdem wollte ich weiter bei der "Komma", wo ich mittlerweile im Vorstand war, und bei der WIR FRAUEN, einer kleinen feministischen Zeitung, mitarbeiten. Da passte die damals halbe Stelle super.

Gibt es einen ganz persönlichen Wunsch?

Wenn ich viel Geld hätte, würde ich gerne mit Freundinnen zusammen ein Haus bauen, mit großer Küche und natürlich mit einem großen Arbeitszimmer.
Ich könnte mir gut vorstellen, meine Zeit auch ohne bezahlte Arbeit gut zu verbringen. Aber ich glaube, ich werde in meinem Leben immer mit irgendwelchen Projekten befasst sein, ob das nun die Zeitung WIR FRAUEN sein wird oder Kulturarbeit wie bei der "Komma" ...

Du lebst schon länger wieder in einer Beziehung...

...es könnte länger sein, weil wir uns schon viel länger kennen, aber seit drei Jahren leben wir zusammen.
Wir sind uns sehr ähnlich, haben sehr ähnliche Vorstellungen davon, wie wir unsere Zeit verbringen wollen, was uns wichtig ist, wir gehen vielleicht nicht immer gleich an die Dinge ran, aber wir kommen dann doch auf die gleichen Ergebnisse. Aber dafür musste ich auch erst mal Ende 30 werden, um die Andere anders sein lassen zu können.

Wenn Du heute auf Deine eigene Erfahrungen im Zusammenleben schaust, was macht eine Frauenbeziehung für Dich aus?

In meiner ersten Frauenbeziehung war das so romantisch: wir gehen immer lieb miteinander um und streiten uns nicht und so weiter. Ich musste aber erkennen, das stimmt einfach nicht, wir bleiben immer zwei unterschiedliche Individuen. Und nur, weil wir nun beide weiblich sind, haben wir nicht automatisch eine Harmonie-Beziehung. Das hab ich nun in den letzten zwölf, dreizehn Jahren gelernt, dass es auf die beiden Frauen ankommt, wie sie ihre Beziehung gestalten und nicht auf die Bilder und Vorurteile, die sie da mit sich herumschleppen. Diese Bilder und Vor-Urteile dürfen und müssen hinterfragt werden. Und zwar gemeinsam.
Das, was ich an der anderen nicht verstehe, was mir fremd und unlogisch vorkommt, steht ja für die eigene Unzufriedenheit in dem Moment. Da geht es ja letztlich überhaupt nicht um die andere Person, sondern darum, dass ich jetzt was loswerden muss, Frust habe. Und so etwas kann dann auch offengelegt, also "erklärt" werden. Das erwarte ich von mir und auch von der anderen, dass man sich über die eigenen Gefühle und Befindlichkeiten im Klaren ist. Und wenn ich feststelle, dass irgend etwas nicht zu ändern ist, weil es zu der anderen gehört, dann muss ich da keinen Terz mehr drum machen.

Gabriele, zum Abschluss noch eine Frage mit einem leichten Augenzwinkern: Du gehörst ja zum Sternzeichen der Fische. Magst Du sagen, ob das für Dich Relevanz hat?

Weißt Du, ich richte mein Leben zwar nicht nach Horoskop und Tierkreiszeichen aus. Dennoch finde ich es manchmal hilfreich beim Reflektieren und Innehalten, über die jeweiligen Zuschreibungen nachzudenken. Nun bin ich nicht nur Fische, sondern hab auch noch die Zwillinge zum Aszendenten! Also da ist viel kommunikatives Potential, findest Du nicht? Die beiden Fische und die beiden Zwillinge haben sicher eine Menge zu diskutieren in mir drin, noch ehe ich überhaupt den Mund aufgemacht habe. Sehr zur Verwunderung meiner Liebsten übrigens, die mich manchmal Sachen fragt, von denen ich dachte, ich hätte das doch längst mit ihr besprochen...

Da Gabriele Bischoff dem Geburtstags-Trubel gemeinsam mit ihrer Liebsten in den warmen Süden entflieht, bleibt mir nun, an dieser Stelle ganz herzlich zu gratulieren und alles Gute zu wünschen; viel Kraft, viel Spaß und immer eine gute Balance zwischen Arbeiten und Besinnung!

Das Gespräch mit Gabriele Bischoff führte Karin Dauenheimer
 
   
   
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