Christiane Hahn - "Ana Koluth"

 
   
  Hinter der Russin Ana Koluth verbirgt sich eine expressionistische Lyrikerin, deren letztes Lebenszeichen von einer Reise mit ihrer Lebensgefährtin durch Nordafrika 1966 stammt. Ihr Name ziert seit drei Jahren eine Berliner Buchhandlung in lesbischer Hand. An Kindheitstage mit ihren wochenendlichen Familientouren erinnert das Einkaufszentrum "Berlin-Carré", in Fußnähe zum Alexanderplatz, mit Lichterketten, Postkartenläden, Strickmoden, Low-Budget-Schuhmärkten ñ in dessen hintersten Winkel unerwartet "Ana Koluth" liegt. Mit Christiane Hahn steht ihm eine Buchhändlerin vor, deren Schlüssel im Osten liegen.

Christiane Hahn, Photo: Barbara DietlRund 2/3 ihres Publikums seien weiblich, schätzt sie. Und überdies "50 Prozent ost-sozialisiert", wie die gebürtige Weimarerin selbst. Ihr Angebot schneidet sie auf Frauen zu ñ in Zeiten steigender Konkurrenz durch Ketten ein mutiges Unterfangen. Nach dem Studium der Kunstgeschichte und Germanistik, das sie 1987 an der Humboldt-Universität aufgenommen hatte, trieb sie sich querbeet im Metier um: Volontärin in einem Berliner Kleinverlag, erste Schritte als Buchhändlerin ñ einschneidende Etappen auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit. "Ich bin nicht nur eines", versucht sie ihre Leidenschaft für das Projekt "Ana Koluth" zu erklären, das für sie von der Logistik über Buchempfehlungen bis "zum Fensterputz" reicht: ihre 50- bis 60-Stunden-Woche im "Glaskasten", wie sie den Laden nennt, birgt all die Vielseitigkeit, die sich Christiane Hahn für ihr Leben ausmalt. Und die nicht immer leicht fällt: Mitunter strengen Diskussionen mit Verlagsvertretern an, die Hahns spezielles Händchen in Sachen Literatur auf ihrem Werbestreifzug nicht so recht berücksichtigen wollen. Auf Frauen- und Lesbenliteratur, Kinder- und Reisebücher, bibliophile Bände und Fotografie legt sie ihren Schwerpunkt. Selbst wenn Werke zu feministischer Theorie und Genderdebatte nicht reißenden Absatz finden: "Sie dürfen nicht fehlen." Die 32-jährige Hahn verprellt mit ihrer Auswahl gelegentlich Passanten, die in einem Einkaufszentrum eher Bücherberge mit Schnäppchen erwarten. "Eine Bühne für Selbstdarsteller" leite sie, auf der sie gelegentlich nahezu "seelsorgerische Pflichten" für KundInnen ausübt, die ihr Herz jenseits der Literatur ausschütten.
Was ihre eigene Lust auf Literatur angeht, muss Christiane Hahn ein "trauriges Moment" eingestehen: statt genussvoller Lektüre sitzt ihr zusehends "der professionelle Blick im Nacken", wenn sie in der seltenen Freizeit zum Buch greift, üblicherweise zu gleich zwei oder drei. Fragen wie Christiane Hahn, Photo: Barbara Dietl"Wem kann ich was empfehlen, wieviele Bestellungen machen Sinn?" statt genüssliches Eintauchen in fremde Welten. Fast wehmütig erinnert sich Hahn an ihre Jugendzeit, zu der sie Christa Wolf verschlang: "Ich versuchte die Welt mit ihren Augen zu sehen, ihren Sprachdiktus zu übernehmen." Leidenschaften, die der Beruf eingeschränkt hat.
Sie registriert das "große Bedürfnis lesbischer Frauen, sich in Büchern wiederzufinden". Ein Bedürfnis, das sie größer als unter anderen Frauen einschätzt. Dass neue Autorinnen "sehr euphorisch aufgenommen" werden, erst recht die, die sich um "ostdeutsche" Befindlichkeiten lesbischer Frauen drehen, birgt für sie die Gefahr eines "fetten Lesbenbonus". Andererseits aber die nötige Identifikation durch "ein Stück Zuhause". Was ihr zunehmend aufstößt, ist der Unwille von Leserinnen, Geld in Lesungen zu investieren: Preisgünstige "Frauensolidarität" lasse wenig Wertschätzung für literarische Ereignisse übrig ñ ein Umstand, den sie durch ihr neues Projekt, die seit Februar laufenden "Lesbischen Büchernächte" ändern möchte, in denen sie einmal monatlich Schriftstellerinnen auf das Podest bringt. Nur sie selber würde "niemals" zum Griffel oder in die Tastatur greifen: "Aber andere darin zu ermutigen, das hat etwas für mich. Zum Lesen zu begeistern auch." Ihre Mischung gelingt.

Text: Leonie Wild
Photos: Barbara Dietl

AnaKoluth, Karl-Liebknecht-Str. 13, 10178 Berlin, Tel. (030) 24 72 69 03,
www.anakoluth.de, eMail: service@anakoluth.de
 
   
   
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