Internationaler Frauentag? Wozu?

 
     
  Am 8. März 1857 sind die Textilarbeiterinnen in New York in den Streik getreten. Sie legten die Arbeit nieder, um bessere Arbeitsbedingungen zu erkämpfen. Damit sich andere Arbeiterinnen und Arbeiter nicht diesem Streik anschließen können, sperrten die Fabrikbesitzer und Aufseher das Gebäude zu. Ein Brand brach aus. Nur wenige konnten sich retten. 129 Frauen starben. Dies war der Auftakt für einen langen und harten Arbeitskampf in der Textilbranche Amerikas.

1910 wurde auf der II. sozialistischen Frauenkonferenz auf Initiative von Clara Zetkin der 8. März zum Internationalen Frauentag ausgerufen. Dieser Tag sollte eine Kampfansage gegen Ausbeutung und Unterdrückung von Frauen sein. Frauenwahlrecht, Gleichstellung und der Kampf der Frauen gegen imperialistischen Krieg waren die konkreten Themen.
Während in der ehemaligen DDR der Internationale Frauentag wirklich ein Feiertag war, an dem die Frauen auch beglückwunscht wurden, tat sich die neue Frauenbewegung im Westen schwer, das sozialistische Erbe dieses Tages anzuerkennen. Es etablierte sich als "Kampftag" eher die Walpurgisnacht, in der zunächst die "Straße in der Nacht" zurückerobert werden sollte und damit auf die Gewalt gegen Frauen aufmerksam gemacht wurde.

Schnell zeichnete sich eine Art Klassenkonflikt ab. Während die gewerkschaftlich orientierten linken Frauen am 8. März mit Forderungen zur Gleichstellung in der Arbeitswelt auf die Straße gingen, tanzten eher bürgerliche Frauen als Hexen durch die Städte und beriefen sich auf das vernichtete Wissen der Frauen vor der Hexenverfolgung.
Obwohl die Frauenbewegung an Masse verloren hat, hat sich dieser ideologische Graben nie wirklich geschlossen. Während die einen Frauen ganz bewusst den "Weg durch die Institutionen" angetreten haben und sich teilweise bei den Grünen, der SPD oder gewerkschaftlichen Organisationen aktiv in die Tagespolitik einmischen und andere hartnäckig ihren Berufsweg bis in die höheren Etagen verfolgen, ziehen sich andere Frauen bewusst aus der "patriarchalen" Welt zurück und sprechen ihre eigene Sprache, leben meist bescheiden auf dem Land, der Technikwelt von heute misstrauend. Sie versuchen alte weibliche Rituale zu beleben und sich in Workshops von alten Verletzungen zu erholen. Sie misstrauen den Frauen, die sich in die "patriarchalen Strukturen" integrieren lassen, und glauben nicht daran, dass Frauen es schaffen, diesen Strukturen ihren eigenen Stempel aufzudrücken.

Und ähnlich wie beim Scheitern der linken Bewegung, entstehen immer kleinere ideologische Zirkel, die sich gegenseitig bekämpfen.
Was dabei auf der Strecke bleibt, ist das Ziel, das Clara Zetkin und die anderen Gründungsfrauen formuliert haben. Von Gleichstellung im Beruf kann noch nicht die Rede sein. Ebenso ist das Ende imperialistischer Kriege nicht abzusehen.
Warum verzichten wir dann auf so einen Tag? Warum haben viele Frauen, die sich in erster Linie an der Walpurgisnacht orientieren und weitgehend aus den alten Bundesländern stammen, Scheuklappen auf, wenn es um die DDR-Tradition des 8. März geht?

Der 8. März ist in jedem Fall eine Chance, einen gemeinsamen Tag als Frauen aus Ost und West zu begehen und würde so mancher "Ostfrau" ein vertrautes Signal wiedergeben, nachdem sie im "neuen" Land viele Freiheiten (Kitas, Jobs und Anerkennung) verloren haben.

Und was hat das jetzt speziell mit Lesben zu tun? Das neue Gesetz zur "Homo-Ehe" macht überdeutlich klar, dass es im Bundestag kein Problem war, uns alle Pflichten einer Partnerinnenschaft aufzuhalsen (z.B. die Unterhaltspflicht). Aber die Rechte daraus werden im Bundesrat von den konservativen Parteien blockiert. Lesben sind diejenigen, die potenziert die unterschiedliche Bewertung der Leistungen von Frauen
tagtäglich erfahren. Lesben (und Schwule) können keine Kinder adoptieren. Lesben können in Erziehungsberufen immer noch mit subtilen Verschleierungen ihren Job verlieren, weil sie angeblich Kinder und Jugendliche zum falsche Ufer bekehren. Erzieherinnen, Krankschwestern und andere können ihren Job verlieren, wenn sie in kirchlichen Einrichtungen arbeiten.

Leider pflegen viele der Lesben, die in der neuen Frauenbewegung im Westen sehr aktiv waren, eine kurzsichtige Form des Eingeschnapptseins, weil auch nach einer Generation Arbeit noch längst nicht das feministische Paradies ausgebrochen ist. Doch ob Karrierefrau oder Workshop-Asketin - politisches Engagement ist gefordert, statt sich rückwärtsgewandt mit patriarchal deformierten Mysterien auseinanerzusetzen oder dem Rücken eines Karrieremannes hinterherzulaufen. Was bietet sich da mehr an, als der 8.März?

Ahima Beerlage
 
   
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