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Für viele ist
und bleibt Katharina Franck vor allem die Stimme der Rainbirds. Doch es steckt viel
mehr und teilweise recht Unerwartetes in der Sängerin mit der ausdrucksstarken
Stimme.
Zusammen mit Ulrike Haage, die lange die andere Hälfte der Rainbirds war, veröffentlichte
sie zwei Hörspiel-CDs: experimentelle Lyrik und teils autobiographische Sprachspielereien,
geschrieben und gesprochen von Katharina Franck, begleitet und untermalt von den
Klangcollagen Ulrike Haages. Die eine erschien 1997 und heißt "Hunger".
Die andere CD, von 1999, trägt den schönen Titel "Bei unserer Lebensweise
ist es sehr angenehm, lange im voraus zu einer Party eingeladen zu werden" und
ist eine Annäherung an die begabte, aber innerlich zerrissene lesbische Schriftstellerin
Jane Bowles, unter Verwendung von Auszügen ihrer Briefe.
Inzwischen hat Katharina Franck Material für eine weitere Spoken-Word-Aufnahme
geschrieben. Im letzten Jahr trat sie bei mehreren Konzerten gemeinsam mit den bereits
als Duo durch viele Auftritte und zwei hervorragende Alben berühmten Rosanna
und Zélia auf. Im Februar 2001 spielte sie nur mit ihrer Gitarre solo im Vorprogramm
von Ani DiFranco und wurde vom Publikum begeistert aufgenommen.
Im Gespräch mit Irene Hummel erzählte Katharina Franck von ihrer musikalischen
Entwicklung und von ihrem aktuellen Projekt, der Tournee mit den brasilianischen
Musikerinnen Rosanna & Zélia im März.
Wo bist du aufgewachsen?
Ich wurde 1963 in Düsseldorf geboren, wuchs aber überwiegend in Portugal
und Brasilien auf. In Brasilien beginnt eigentlich meine musikalische Biographie.
Ich habe angefangen, Gitarre zu spielen und mir ganz viel selbst beigebracht. Da
habe ich auch den Entschluß gefaßt, mit elf oder zwölf, daß
ich Musik machen will, daß ich Sängerin werden will, weil mir dieses ganze
Lebensgefühl - zu proben, mit Bands unterwegs zu sein, überhaupt immer
von Musik umgeben zu sein - so gut gefällt. Bis kurz vor meinem 18. Lebensjahr
habe ich noch in Portugal gelebt. Dann zog ich nach Deutschland. Mit einer zweijährigen
Unterbrechung lebe ich seit 1983 in Berlin. Heute fühle ich mich hier zuhause,
ich bin nicht mehr hin- und hergerissen.
Wer sind deine musikalischen Vorbilder?
Patti Smith war mein Idol in dieser ganz wichtigen Zeit als Teenager. Auch heute
gibt es immer wieder Leute, die mich sehr beeindrucken. Dazu gehört z.B. seit
Jahren Björk.
Was für Platten kaufst du dir?
Die letzte Platte, die ich mir gekauft habe, war von PJ Harvey. Da sind wirklich
klasse Songs drauf. Sie macht den Eindruck, als hätte sie auch in letzter Zeit
nochmal viel Patti Smith gehört.
Warst du in letzter Zeit bei einem guten Konzert?
Ein Konzert, das mich wahnsinnig beeindruckt hat, war das Moloko-Konzert im letzten
Jahr. Diese Stimme und die unglaubliche Sangeslust der Sängerin, die wollte
ja überhaupt nicht mehr aufhören. Das wirkte auch nicht gekünstelt.
Da waren Songs dabei, die mich so richtig gerührt haben.
Wie verlief deine musikalische Entwicklung?
Als ich 1983 nach Berlin kam, habe ich erst viel für mich alleine gemacht, dann
war ich Sängerin in verschiedenen Bands. Das hat mir irgendwann gereicht. Ich
hatte eigene Songs, die ich singen wollte. Da gab es dann aber immer irgendwelche,
die sagten: "Ich bin doch hier der Songwriter!" - die üblichen Schwierigkeiten.
Dann habe ich mich eben auf meine eigenen Sachen konzentriert. Innerhalb eines Jahres
habe ich mit einem Vierspur-Aufnahmegerät die Demos für das erste Rainbirds-Album
gemacht. Dann habe ich Leute für eine Band gesucht. Beim ersten Album der Rainbirds
1987 waren wir ein Trio. Später kam dann noch Rodrigo Gonzales als Gitarrist
dazu. Bei der letzten Tour in dieser Besetzung war Ulrike Haage als Keyboarderin
dabei. Wir beide haben dann als Duo weitergemacht. 1991 erschien "Two Faces",
1993 "In a Different Light". Ich war nicht mehr die alleinige Songwriterin,
auch Ulrike hat sehr viel geschrieben. Ich war froh, jemanden zu haben, dem ich voll
und ganz vertrauen konnte.
Musikalisch hat Ulrike ganz neue Ideen eingebracht, Songstrukturen und Harmonien.
Die Soundtüfteleien, die Programmierungen, das kam alles von ihr und das hat
unsere Musik sehr verändert. Ich habe als Sängerin auch einen ganz schönen
Sprung gemacht und meine Interpretationsfähigkeiten enorm gesteigert. Ende 1994
haben wir dann Tim Lorenz kennengelernt, seitdem sind die Rainbirds wieder ein Trio.
In dieser Besetzung machten wir drei Alben - mit dem Live-Album von 1999 - und natürlich
Tourneen.
Die zehn Jahre mit Ulrike waren eine sehr intensive, sehr inspirierende Zeit. Wir
haben die ganzen Jahre eigentlich nur gearbeitet. Erst die Rainbirds, dann die Gruppe
Stein, dann Theatermusiken und am Schluß dann die Hörspiele. Das ist alles
sehr ergiebig gewesen.
Wie sah die Zusammenarbeit mit Ulrike praktisch aus?
Das ist unterschiedlich gewesen. Der Text war selten zuerst da, teilweise bei den
Hörspielen. Aber bei den Songs war das entweder so, daß Ulrike Harmoniefolgen
hatte oder vielleicht sogar schon den ganzen Songaufbau, zu dem ich dann die Melodie
mit dem Text gemacht habe. Oder ich habe ihr - oder später dann dem Trio - etwas
vorgespielt und dann haben wir überlegt, wie arrangieren wir das jetzt für
eine Band: was verändert man, was kommt dazu, was nimmt man weg. Wir haben viel
direkt im Übungsraum gemeinsam entwickelt. Die Texte habe ich gemacht. Jeder
hatte so seine Aufgaben und das haben wir dann zusammengebracht, um das auch in der
Band spielen zu können.
Woher stammen die Ideen für deine Texte?
Die kommen aus meinem Kopf. Ich lese viel und sehe und beobachte viel. Irgendwie
mischt sich das dann alles mit meiner Phantasie. Manchmal habe ich einfach eine Textzeile
und spinne damit ein bißchen herum, lasse mich gehen und daraus entwickelt
sich dann wieder etwas.
Wird es demnächst etwas Neues von Ulrike Haage und Katharina Franck geben?
Im Augenblick nicht. Ulrike macht viel im Hörspielbereich, sie will außerdem
eine Soloplatte machen. Auch die Rainbirds gibt es eigentlich nicht mehr, wir machen
eine Pause. Wir sind alle auf Solopfaden. Tim hat sein eigenes Studio und hat viel
zu tun. Einer Zusammenarbeit in irgendeiner Form steht aber nichts im Wege. Ich bin
auch offen für andere Leute. Nach der langjährigen Zusammenarbeit mit Ulrike
hat es einige Zeit gedauert, bis ich anderen auch ihre Art und Weise zugestanden
habe und nicht immer den Vergleich gezogen habe mit Ulrike und der Erinnerung, wie
wir zusammengearbeitet haben.
Dein aktuelles Projekt ist die Zusammenarbeit mit den brasilianischen Musikerinnen
Rosanna und Zélia. Im März geht ihr auf Deutschlandtournee. Wie kam es
dazu? Wollt ihr langfristig zusammenarbeiten?
Wir haben 1998 das erste Mal etwas zusammen gemacht. 1999 haben sie mich gebeten,
auf ihrer Platte "Coisário" bei einem Stück mitzusingen: "Lady
Multimelancólica".
Wir haben außer der gemeinsamen Tournee noch keine definitiven Pläne.
Aber ich denke, wir werden öfter auf den jeweiligen Platten der anderen mitwirken.
Das macht viel Spaß und ist sehr inspirierend.
Ich bewundere Rosanna und Zélia, ihre Gitarrenarbeit ist sehr viel virtuoser
als meine. Bei mir steht der Gesang im Mittelpunkt. Das ergänzt sich alles unheimlich
gut. Auch die unterschiedlichen Energien: ich bin mehr so pushiger, und sie bringen
diesen melodiösen, sehr feingliedrigen, atmosphärischen Teil mit rein.
Wie entstehen die Arrangements für eure gemeinsamen Auftritte?
Durch Spielen, Spielen, Spielen! Zuerst sind wir nur mit Gitarre und eher theoretisch
drangegangen, dann haben wir alles im Übungsraum ausprobiert.
Wie würdest du eure Musik charakterisieren?
Wir wollen nicht in dieser Worldmusic-Ecke bleiben. Rosanna und Zélia sind
da drin relativ verhaftet. Unsere gemeinsame Musik geht weit über dieses Worldmusic-Ding
hinaus. Gemeinsam können wir Leute ansprechen, die sonst nur Pop hören.
Ihre Platten allerdings passen mehr in den Jazz-Bereich. Ich subtrahiere von den
Platten immer diesen ganzen Fusion-Anteil. Das ist kein Geheimnis, daß ich
das nicht so toll finde. Ich finde, daß das ihre Musik verwässert oder
mit diesen ganzen Fusion-Jazz-Rock-Geschichten gleichmacht.
Live sind sie unglaublich. Sie sind so gut aufeinander eingespielt.
Bedeutet ein Live-Auftritt einen Kick für dich?
Ja, das ist einfach das A und O. Es ist aber auch immer nervenaufreibend, weil ich
in all den Jahren doch nicht cool geworden bin.
Gemeinsam spielt ihr auch "Blueprint" - hängt der dir nicht langsam
zum Hals heraus?
Nein, überhaupt nicht, den Song mag ich gerne. Ich finde es spannend, ihn in
so verschiedenen Versionen zu spielen, zum Beispiel diese Version von Ulrike auf
dem Live-Album. Und mit Rosanna und Zélia ist das wieder etwas ganz anderes.
Die beiden haben "Blueprint" mit diesem Marakatu-Rhythmus bearbeitet. Das
ist ein Rhythmus aus Minas Gerais, der Gegend, wo sie herkommen. Mit Rosanna und
Zélia gehe ich jetzt also wieder zurück an meine Anfänge, quasi
zu meinen brasilianischen Wurzeln.
Hast du als Frau Probleme, in der Musikszene ernstgenommen zu werden?
Wir hatten mit den Rainbirds öfter Streß mit den Technikern der Veranstaltungsorte.
Mehrere Male passierte es, daß die sich anlegten mit Ulrike. Sie hatte einen
fertig verkabelten Würfel mit ihrer ganzen Technik und die haben behauptet,
daß da irgendwas nicht stimmt. Bis sie irgendwann akzeptieren konnten, daß
es ihr eigener Fehler war. Oder ihr Mißverständnis: zum Beispiel, daß
der Klaviersound bei manchen Stücken mit Absicht angezerrt war. Die Männer
lassen sich von einer Frau einfach nichts sagen.
Das Rock- und Pop-Business ist der spießigste und erzkonservativste von allen
kulturellen Bereichen. Es ist immer noch viel einfacher für eine Männerband
oder einen Mann, sich durchzusetzen. Das ist allerdings nicht anders als in vielen
anderen Berufen auch.
Hast du Angst, man könnte euch in die Schublade "Frauenmusik" stecken?
Schubladen? Interessiert mich nicht. Wir sind zwar vier Frauen und wir haben außerdem
noch eine Mixerin, also ist es ein rein weibliches Unternehmen. Ist mir aber egal,
was die Leute darüber denken. Wenn Leute deswegen nicht kommen, dann haben sie
eben etwas verpaßt! Ich kann es nicht ändern, wir sind nun mal alle Frauen
- und das ist ja auch schön!
Tourdaten
Rosanna & Zelia + Katharina Franck feat. Angela Frontera:
16.3. Potsdam, Waschhaus
17.3. Berlin, Passionskirche
21.3. München, Muffathalle
23.3. Heidelberg, Karlstorbahnhof
24.3. Karlsruhe, Tollhaus
25.3. Halle, Turm
27.3. Hamburg, Logo
28.3. Hannover, Pavillion
29. 3. Jena, Kasablanca
30.3. Darmstadt Centralstation
31.3. Dortmund, Femme Totale
1.4. Köln, Stadtgarten |
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