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Im
Januar haben sie ihren fünften Geburtstag gefeiert.
Ein schöner Anlass fanden wir, uns eingehender mit der Gruppe Lyra zu beschäftigen,
die bundesweit eine der ganz wenigen Künstlerinnengruppen von Behinderten ist,
und sich warscheinlich
rühmen kann, die einzige lesbische andersfähige Künstlerinnengruppe
zu sein.
Von Monika Richrath
Lyra ist langsam gewachsen.
Früher las Christiane Schwarze, die zusätzlich zu ihren Büchern auf
inzwischen über achzig Veröffentlichungen in der BRD, Österreich,
Dänemark und der Schweiz zurückblicken kann, auf ihren Lesungen allein,
später kam dann die vokale Begleitung von Claudia Munsch hinzu. Zu dem Duo stieß
wiederum die Gitarristin Gerlinde Grebe. Vor ca. einem Jahr kam noch Elke Saller
mit ihrem Marimbaphon dazu, eine Zusammenarbeit, die eher spontan entstand, als das
Duo
Flex à Ton Christiane Schwarze um Textassoziationen zu ihrer Musik bat. Lyra
besteht also aus vier Frauen, von denen jedoch nur jeweils drei gemeinsam auftreten,
d.h. es gibt wechselweise Gitarren- und Marimbaphonbegleitung. Die Musik ist international,
die Spannbreite reicht von südamerikanischem, jiddischem und afrikanischem Liedgut
bis hin zu klassischen Stücken. In erster Linie sehen sie sich als Künstlerinnen
und obwohl sie sich (natürlich) als Macherinnen von Minderheitenkultur begreifen,
ist ihnen wichtig, nicht in die "Betroffenheits-Ecke" gestellt zu werden.
Sie haben künstlerisch weit mehr zu bieten als das Programm "Wider die
Sprachlosigkeit - der Stolz behinderter Frauen", mit dem sie meistens eingeladen
werden, das Programm "Zauberspiegel" enthält z.B. Texte zu Lesben,
Liebe etc. Die Auswahl der Stücke richtet sich ohnehin meist eher nach dem Anlass
des Auftrittes, die Gruppe ist da sehr flexibel.
Die Kombination "lesbisch"
und "behindert" führt oft dazu, dass die Künstlerinnen sich "zwischen
allen Stühlen" sitzend empfinden, zumal auch das lesbische Element jederzeit
gegenwärtig ist. Claudia Munsch erzählt, dass die Akzeptanz lesbischer
Beziehungen in gemischten behinderten Zusammenhängen viel größer
sei als die Akzeptanz des behinderten in lesbischen Zusammenhängen. Auch Christiane
Schwarze findet, dass sie von Lesben als Frau mit Behinderung mit weit mehr Abstand
betrachtet werden als andersherum, vielleicht weil sie den lesbischen Schönheits-
und Lebensidealen nicht entsprechen. Von offener Diskriminierung könne jedoch
nicht die Rede sein. Der Widerstand, sich in Lesbenkreisen mit dem Thema auseinanderzusetzen,
sei sehr subtil, aber dennoch spürbar. So kann Lyra bei ihren Auftritten mit
dem Lesbenprogramm mit mehr Publikum rechnen als wenn es um das Thema "Behinderungen"
geht. Ein "beschädigter" Körper passt eben nicht zur Lesben-Schönheits-Norm
oder eine Frau, die viele Dinge nicht tun kann - genauso wenig wie eine Frau, die
weiß, dass sich ihr körperlicher Zustand mit den Jahren kontinuierlich
verschlechtern wird. Für Christiane Schwarze sind das Reibungsmomente, an denen
nichtbehinderte Frauen vor der anderen zurückschrecken. Nun ist dies ja eher
ein gesamtgesellschaftliches Problem, an dem auch der in Lesbenkreisen übliche
Ansatz, alle nur denkbaren Minderheiten mit einzuschließen, kaum etwas hat
ändern können. Für Christiane Schwarze ist es z.B. auch kein Zufall,
dass sie ihre Bücher in einem Verlag veröffentlichen konnte, in dem der
Verleger selbst eine Behinderung hat, wohingegen die Lesbenverlage eher zurückhaltend
reagierten.
Elke Saller ist das
einzige nicht-behinderte Mitglied der Gruppe. Sie findet es wichtig, dass auch nicht-behinderte
Frauen sich engagieren, Prozesse in Gang setzen und Entwicklungen vorantreiben.
Das Programm "Wider
die Sprachlosigkeit - Der Stolz behinderter Frauen" ist im übrigen ein
ausgesprochen kraftvolles Programm, das, auch wenn vor schwierigen Themen nicht zurückgeschreckt
wird, keinesfalls lähmend oder deprimierend wirkt: hier geht es um Kraft, Mut,
Liebe und auch Erotik . Das Anliegen der Gruppe könnte laut Christiane Schwarze
durchaus mit dem Satz "Es gibt ein Leben vor dem Tod" umrissen werden.
Die Reaktionen des lesbischen behinderten Publikums sind dementsprechend, ein Satz,
den die Gruppe oft zu hören bekommt ist: "Endlich drückt jemand das
aus, was ich schon seit Jahren empfunden habe, aber nicht in Worte fassen konnte."
Für
die nächste Zeit hat Lyra noch viele Pläne: so soll in diesem Jahr eine
CD erscheinen mit Gerlinde Grebe, Elke Saller und Claudia Munsch, Christiane Schwarze
wird jetzt im März ein illustriertes Märchen veröffentlichen. Außerdem
ist ein Krimi in Arbeit. Christiane Schwarzes erstes Buch "Und zum erstenmal
liebte sie sich selbst" ist mittlerweile nicht nur in zweiter Auflage, sondern
auch in Brailleschrift erschienen, nun hat sie sich auch mit ihrem zweiten Buch "Meine
Tage wurden wie schimmernder Opal" bei der Deutschen Medienkommission beworben.
Da der Druck in Brailleschrift unglaublich teuer ist, werden nur sehr wenige belletristische
Werke in diese für blinde Frauen lesbare Form übertragen. Sie hofft, dass
es auch mit dem zweiten Buch klappt. "Und zum ersten Mal liebte sie sich selbst"
wird in 2000 auch noch als Hörbuchversion erscheinen, worüber sie sich
sehr freut, weil ihr Buch nun ebenso von Frauen gehört werden kann, die aufgrund
körperlicher Beeinträchtigungen nicht in der Lage sind, selbständig
Seiten umzublättern. Selbständigkeit ist ungeheuer wichtig findet sie,
bei allem Respekt vor notwendiger Hilfestellung müssten Frauen nicht auch noch
behindert gemacht werden, wozu z.B. die fehlende Möglichkeit, ein Buch in Brailleschrift
oder als Hörbuchversion zu erhalten, gehöre. An die Bücher zu kommen
ist im übrigen ganz einfach:
- "Meine Tage wurden wie schimmer der
Opal", Mauerverlag 24,80 DM
ISBN 3-931627-64-0
- "Ripp Wurzeltroll" Ein Waldmärchen
mit Illustrationen von T. Mühlbauer
Mauerverlag 24,80 DM
ISBN 3-931627-87-X
- "Und zum ersten Mal liebte sie sich
selbst" Mauer Verlag 24,80 DM
ISBN - NR. 3-931 627-16-0
In Braille-Schrift kann es entweder bei der Deutsche Blindenstudienanstalt e.V. für
35,- DM bestellt werden oder bei der Punktschriftbücherei (bzw. die Hörbuchversion
in der Hörbuchbücherei) kostenlos ausgeliehen werden (Adresse s.u.).
Lyra hat im übrigen auch eine eigene, blindenfreundlich gestaltete Homepage
im Internet http://frauen.nu/lyra/
Von der Kunst allein können die vier Frauen bislang noch nicht leben, obwohl
es von allen langfristig perspektivisch angestrebt wird. Neben all den großen
Plänen für Lyra (zu denen auch der Wunsch gehört, im weiteren deutschsprachigen
Ausland auftreten zu können) hat natürlich jede noch so ihre eigenen Wünsche
für die Zukunft: Sängerin Claudia Munsch würde gerne mehr mit verschiedenen
Stilrichtungen experimentieren, die Marimpaphonistin Elke Saller würde gerne
weniger unterrichten und und mehr Musik machen, Autorin und Managerin Christiane
Schwarze würde gerne nur von der Schriftstellerei und Lyra leben und die Gitarristin
Gerline Grebe hofft, dass die Gruppe noch lange so kreativ bleibt und sie sich dadurch
an immer neue Herausforderungen wagt.
Übrigens, wer die Gruppe live erleben will, wird im Veranstaltungskalender
fündig und auch beim LFT in Bochum werden sie zu erleben sein.
Deutsche Blindenstudienanstalt e.V.
Postfach 11 60
35001 Marburg
Tel (0 64 21) 6 06-460
http://www.blista.de
AG der Blindenhörbücherei
Marbacher Weg 18
35037 Marburg
Tel (0 64 21) 6 85 80-15
Kontaktadresse:
Lyra c/o
Chris Schwarze,
Alsfelderstr. 12,
35315 Homberg/Ohm,
Tel (0 66 35) 5 03
e-Mail: chrisschwarze@t-online.de
http://frauen.nu/lyra
Die homepage ist
blindenfreundlich gestaltet. |
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