lespress 2/99    
  Minderheitenschutz mit unbürokratischen Mitteln -
das Anti-Diskriminierungs-Gesetz in den Niederlanden

von Sabine Tenta

  Hierzulande ist es eine der Hauptforderungen der Lesben- und Schwulenbewegung an die Politik: das Anti-Diskriminierungs-Gesetz. In den Niederlanden, die uns im Punkt Emanzipation und Gleichberechtigung schon öfter ein paar Schritte voraus waren, ist es bereits seit einigen Jahren verwirklicht. Grund genug einmal genauer hinzusehen, wie unsere NachbarInnen den gesetzlich verankerten Schutz vor Benachteiligung geregelt haben.  
  Ein oft vorgebrachtes Argument gegen ein Anti-Diskriminierungsgesetz in Deutschland ist, daß der Minderheitenschutz bereits durch das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes abgedeckt sei. Auch die niederländische Verfassung beginnt mit einem Gleichheitsgebot. In Paragraph 1 heißt es: "Alle, die in den Niederlanden seßhaft sind, werden in gleichen Fällen gleichbehandelt. Niemand darf wegen seiner religiösen, weltanschaulichen oder politischen Anschauungen, seiner Rasse, seines Geschlechtes oder aus anderen Gründen diskriminiert werden."  
  Aber dennoch hat das niederländische Parlament 1994 ein "Gesetz für Gleichbehandlung" verabschiedet, daß den Minderheitenschutz auf eine erweiterte rechtliche Grundlage stellt. Es verbietet eine Ungleichbehandlung aufgrund der folgenden Punkte: Hetero- und Homosexualität, Religion und Weltanschauung, Politische Einstellung, Rasse, Geschlecht und Familienstand. Die Forderungen von Alten- und Behindertenverbänden, diese Aspekte ebenfalls ins Gesetz aufzunehmen, wurden nicht berücksichtigt.  
  Karel E. Vosskühler, Leiter der Presse- und Kulturabteilung der niederländischen Botschaft nannte in einem Vortrag beim Völklinger Kreis in Stuttgart als Vorteil des neuen Gesetzes: "Für die Bürger untereinander ist es nicht immer deutlich, welche Rechtfertigungsgründe den Ausschlag geben, wenn verschiedene Grundrechte miteinander in Konflikt geraten. Aufgrund des neuen Gesetzes kann jemand, der diskriminiert wird, seine Sache direkt oder über eine Interessenorganisation vor Gericht bringen."  
  Darüber hinaus wurde ein "Ausschuß für Gleichbehandlung" eingerichtet. Der Ausschuß hat seinen Hauptsitz in Utrecht, aber in allen größeren Städten gibt es Antidiskriminierungsbüros. Verbände oder Einzelpersonen können dort eine Klage einreichen. Der Ausschuß befragt dann beide Parteien und in einer öffentlichen Sitzung wird das Problem erörtert. Im Gegensatz zu einer Gerichtsverhandlung kann der Ausschuß auch selber Informationen zum Fall einholen. Ein weiterer wesentlicher Unterschied ist, daß keine RechtsanwältInnen eingeschaltet werden müssen und die Einleitung des Verfahrens mit keinen Kosten verbunden ist. Für Karel Vosskühler ist klar: "Auf diese unbürokratische Weise möchte der Ausschuß das Einreichen von Klagen erleichtern." Der Ausschuß kommt zu einem Urteil, das jedoch nicht gesetzlich verbindlich ist. Das kann nur durch ein Gerichtsverfahren erreicht werden. Doch nach Einschätzung Vosskühlers sei das selten nötig, denn "glücklicherweise ist es so, daß die meisten Urteile des Ausschusses für Gleichbehandlung von den Beteiligten akzeptiert und befolgt werden."  
  In jüngster Zeit hat es jedoch ein Beispiel gegeben, bei dem eine beteiligte Partei gar nicht zufrieden war: Mitte Dezember letzten Jahres hat der Gleichbehandlungs-Ausschuß entschieden, daß die Weigerung von Blut- und Samenbanken, Spenden von Homosexuellen anzunehmen, nicht diskriminierend sei. Eine Blutbank hatte die Spende von fünf Schwulen wegen zu hoher Gefahr einer HIV-Infektion abgelehnt. Der Ausschuß begründete sein Urteil damit, daß der Nachweis des HI-Virus erst Monate nach der Infektion mit Sicherheit durch Bluttests nachgewiesen werden könne. Daher seien die Bluttests nicht sicher genug, um eine Risikogruppe zur Spende zuzulassen. Der niederländische Verband der Bluterpatienten begrüßte das Urteil und die Homosexuellen-Organisation COC zeigte sich enttäuscht. Sowohl den fünf Schwulen als auch der COC steht es jetzt offen, den Fall vor Gericht zu bringen. Die COC, (auf deutsch: Vereinigung zur Integration von Homosexuellen) gehörte übrigens auch zu den VorkämpferInnen des Gesetzes.  
     
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