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Es gibt zwei
offizielle Gründe für das Tragen dunkler Augenringe im Monat Februar: Karneval
und Berlinale. Tragen die KarnevalistInnen zu ihren Augenringen noch aufgequollene
Augen, um nicht das Wort Tränensäcke zu verwenden, bedingt durch die Menge
an stimmungsförderndem Alkohol für die vielen Alaafs und Helaus, zeichnen
sich Berlinale-Gänger neben den besagten Augenschatten durch eine graue Gesichtsfarbe
aus. Grund dafür ist der permanente Sauerstoffmangel bei langen Filmtagen und
-nächten in stickigen, überfüllten Kinosälen auf den Filmfestspielen
in Berlin.
Vom 5. ó 15. Februar öffnen die Festivalkinos am Potsdamer Platz ihre Pforten
für Film-Junkies aller Nationen. Im Wettbewerb, Panorama, Forum und Retrospektive
wird vom kleinen Independent-Film, vorwiegend im Forum, bis zum Wettbewerbsfilm mit
den großen Produktionen alla Hollywood ein großes Spektrum an Filmen
gezeigt. Zukunftsweisende oder rückblickende wie in der Retrospektive, die sich
der amerikanischen Filmgeschichte "New Hollywood 1967 ó 1976. Trouble in Wonderland"
widmet. Das Panorama bietet qualitative Filme aus allen Ländern mit einem breiten
Spektrum an schwulen und lesbischen Produktionen. Cineasten, die Glamour und Glimmer
lieben, können sich wieder auf diverse FilmemacherInnen oder das ein oder andere
Showbiz-Sternchen freuen, die sich nach der Präsentation ihrer Filme dem Publikum
zur Diskussion stellen.
Leider war es bis zum Redaktionsschluss noch nicht offiziell, welche Filme
mit lesbischem Inhalt auf der Berlinale zu sehen sein werden. Bekannt ist bislang
nur, dass Angelina Robins ihren Spielfilm "D.E.B.S." vorstellen wird, den
einige Frauen bereits als Kurzfilmversion auf dem Lesbenfilmfestival gesehen und
mit der "mona díoro", dem Publikumspreis für den besten Film, ausgezeichnet
haben. Alle, die diese Kurzfassung der lesbischen Engel für Charlie mochten,
können sich nun auf die Langfassung freuen, wo zwar in anderer Besetzung, aber
genauso actionreich fünf Engel für das Lesbisch-Gute in der Welt kämpfen
werden. Ein weiterer Film ist die französische Produktion "Je suis votre
hommes" von Danièle Dubroux. Eine Geschichte,
die von einer Hausfrau handelt, die eine folgenschwere Entscheidung und eine ebensolche
Entdeckung macht: Die Entscheidung, ihre Homosexualität auszuleben und die Entdeckung,
dass alle Beziehungen, egal ob homo-, hetero- oder bisexuell, grundsätzlich
sadomasochistischer Natur sind. Der französische Film ist ein Film über
Rollenspiele und Gegensätze: Liebe und Tod, Katze und Maus, Macht und Ohnmacht.
Zu hoffen bleibt, dass diese beiden Nennungen nicht die einzigen lesbischen Beiträge
beim Run auf den TEDDY-Award bleiben werden.
Die Teddy-Awards, 1987 ins Leben gerufen, werden in diesem Jahr bereits zum 18. Mal
an die besten lesbischen, schwulen und transidentischen Filme verliehen. Der TEDDY,
gestaltet von dem schwulen Comic-Zeichner Ralf König, wird jedes Jahr von Astrid
Stenzel von Schwermetall, Werkstatt für Schmuck, aus Berlin auf Sponsoring-Basis
für die Verleihung angefertigt. Jeder Award ist mit 3000 Euro dotiert. Das Preisgeld
für den Kurzfilm wurde von der Harkwerkstatt (Berlin), der Dokumentarfilmpreis
von Elledorado e.V. und der Preis für den besten Spielfilm vom TEDDY e.V. und
der Berliner Community gestiftet. Eine neunköpfige internationale Jury von Filmschaffenden
entscheidet über die Preisvergabe ó und vergibt ebenfalls den TEDDY Jury Award,
den großen Preis der Jury. Die Liste der begehrten Preise nimmt kein Ende:
Da wären noch das Stadtmagazin Siegessäule, die den Preis der LeserInnenjury
verleiht ó eine echte Goldelse. Und der Special TEDDY. Dieser Award, der an Personen
oder Institutionen überreicht wird, die Meilensteine in der schwul-lesbischen
Filmgeschichte gelegt haben, geht in diesem Jahr, so viel darf schon verraten werden,
an die Edition Salzgeber, die ihr 20-jähriges Jubiläum feiert. Die Edition
Salzgeber publiziert Außenseiterfilme, die es ohne das Engagement der MitarbeiterInnen
nicht in die Kinos schaffen würden, mit dem Schwerpunkt auf Filme mit lesbischem,
schwulem und transidentischem Hintergrund. Gleichzeitig wird mit der Vergabe des
Special TEDDY auch Manfred Salzgeber gedacht, Gründer der Edition Salzgeber
und Initiator ó neben Wieland Speck ó für die Vergabe eines schwul-lesbischen
Filmpreises. Manfred Salzgeber verstarb vor 10 Jahren an den Folgen von AIDS.
Stars wem Stars gebühren ó und so konnten für die Laudatio bereits Ulrike
Ottinger, Ulrike Folkerts, Gitte Haening, Katja Riemann, Moritz de Hadeln, Regina
Ziegler und Tatort Kommissar Heikko Deutschmann gewonnen werden.
Sieht man dieses Großaufgebot an Stars vor der Kulisse des Tempodroms, liegt
die Idee fern, dass die Mitglieder des TEDDY-Vereins ehrenamtlich für diese
Veranstaltung tätig sind, und dass sich die Gala ausschließlich über
Sponsoren- und Eintrittsgelder finanziert. "Dieses Jahr sieht es schlecht im
finanziellen Sponsoringbereich aus", erzählt Kirsten Lenk, Mitglied beim
TEDDY e.V. "Die Firmen haben einfach keine Budgets mehr für Kultursponsoring."
Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen und die TEDDY-Veranstalter hoffen
auf einen regen Zulauf aus der Community.
Doch gerade in der Szene hat das Image der Teddy-Gala
durch die etwas misslungene Veranstaltung im letzten Jahr Schaden genommen. Zur Erinnerung:
ein in sich unstimmiges Programm, technische und organisatorische Pannen, die jedoch
verzeihlich sind, im Gegensatz zu der peinlichen Moderation von Zazie de Paris. Doch
dieses Jahr soll alles besser werden. Und das glaubt man sofort, denn niemand anderes
als Maren Kroymann und Thomas Hermans werden durch das Programm führen. Das
verspricht Professionalität, Unterhaltung und ó Identifikation. In den letzten
Jahren fühlten sich gerade Lesben, aber auch Schwule, durch das konsequente
Tuntenspektakel auf der Bühne nicht mehr gesehen und offiziell vertreten.
Der Abend steht ganz im Rahmen der Filmmusik, akustisch umgesetzt vom "Swing
Dance Orchestra". Das Artistenpaar Lutz und Moritz kombinieren das übersprühende
Lebensgefühl des Swing mit raffinierter Keulenjonglage, und was sonst noch kommt,
bleibt ein swingendes Geheimnis. Doch auf einige Größen aus dem schwul-lesbischen
Showbiz kann noch gehofft werden. Im letzten Jahr heizte Marla Glenn, gut gelaunt,
weiß besockt und rastlos temperamentvoll die Stimmung im Tempodrom ein, bevor
sich das Publikum auf die drei Tanzflächen verteilte.
Auch in diesem Jahr sorgen DJs, darunter die Berliner Turntable-Ladies Zoe und Ipek,
für die richtige Stimmung im Zelt. Jede sollte nur darauf achten, dass sie zur
rechten Zeit am rechten Ort ist ó und dass sie ihre Bezugsgruppe nicht verliert.
Sonst könnte es im großen Zelt recht einsam werden. Aber vielleicht liegt
ja gerade darin die Chance für einen Berlinale-Flirt mit Happy-End?
Dagmar Trüpschuch |
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