Fehlstart

 
  Das neue Jahrtausend hat für Lesben und Schwule noch nicht begonnen

Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin mag viele gute Vorsätze für das neue Jahr gefasst haben, die Lesben und Schwulen hat sie gleich in den ersten Stunden nach dem vorgezogenen Millennium enttäuscht. Offensichtlich durch eine Indiskretion in ihrem Ministerium (Lesben und Schwule sitzen halt überall!) landete der "Rohentwurf eines Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Sexualität: Lebenspartnerschaften" auf der Homepage der niedersächsischen Schwusos.
Die schwulen und lesbischen Parteifreunde der SPD-Ministerin um den agilen, aber eigenwilligen Schwusos-Aktivisten Achim Schipporeit ließen es sich nicht nehmen, der Republik das Wenige zu präsentieren, was Frau Däubler-Gmelin für mit der CDU-Mehrheit im Bundesrat vereinbar hielt: Der Gesetzentwurf schreibt umfangreiche Pflichten und Versorgungsansprüche für lesbische und schwule Lebensgemeinschaften vor, ohne ihnen auf der anderen Seite die für Ehepaare selbstverständlichen Rechte und Vorteile einzuräumen. Oder anders ausgedrückt: Alles, was nicht zustimmungspflichtig im Bundesrat ist, wird durch im Rohentwurf aufgeführte Änderungen von Bundesgesetzen - zum Teil mehr schlecht als recht - geändert. Dort, wo der Bundesrat ein Wörtchen mitzureden habt, unternimmt sie erst gar nicht den Versuch, eine Verhandlungsposition mit den Ländern aufzubauen und sich in die politische Schlacht für ihr angebliches Anliegen zu begeben.
Dieser vorauseilende Gehorsam gegenüber den Konservativen und ihrem Weltbild ist es, der nicht nur die BefürworterInnen der eingetragenen Lebenspartnerschaft unter den Lesben und Schwulen auf die Palme bringt. Dass Parteitagsbeschlüsse der beiden Koalitionsparteien in Regierungszeiten Schall und Rauch sind, haben Lobbyverbände wie BürgerInnen inzwischen begriffen. Dass aber auch Ankündigungen aus dem Ministerium und die Hinhaltetaktik des letzten Jahres damit enden, dass der Elefant nach langem Kreißen ein Mäuslein gebiert, raubt den Lesben und Schwulen den letzten Glauben in die gesellschaftliche Reformwilligkeit der rot-grünen Bundesregierung.
Wichtige Bereiche wie das Ausländerrecht, die Sozialgesetzgebung und die steuerrechtlichen Regelungen bleiben völlig außen vor, gehören aber zu den Kernbereichen einer staatlich sanktionierten Beziehung zwischen zwei Menschen, wenn diese ansonsten in erster Linie Nachteile verurteilt. Dass frau nämlich die verbleibenden Regelungen (Zeugisverweigerunsrecht, Erbrecht, Mietrecht) auch ohne das Institut der eingetragenen Partnerschaft regeln kann, hat selbst die CDU schon erkannt. Während diese mit ihren eigenen Skandalen beschäftigt ist, sekundierte die CSU umgehend (z.B. in Person des bayerischen Justizministers Weiß) mit den üblichen Verdächtigungen: Der Untergang des Abendlandes stehe bevor, der Schutz von Ehe und Familie im Grundgesetz werde ausgehöhlt usw. Im Raum bleibt somit auch der Verdacht, dass die Ministerin aus dem pietistischen Ländle nicht nur den Bundesrat, sondern auch den eigenen Bundesfinanzminister scheut. Auch ein im Bundesrat zustimmungspflichtiger Gesetzentwurf müßte erst im Bundeskabinett verabschiedet werden...
Das Bundesjustizministerium hat dazu beigetragen, dass die Frage der eingetragenen Lebenspartnerschaft auch für die Mehrheit der nicht heiratswilligen Lesben und Schwulen zur Gretchenfrage für die Bundesregierung geworden ist. Alles deutet darauf hin, dass sie - entgegen dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetz - weiterhin ungleicher sind und die Bundesregierung dieses zusätzlich festschreibt. Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf ist nicht einmal ein erster kleiner Schritt. Von weiter gehenden Fragen, wie dem Adoptionsrecht, einmal ganz zu schweigen.
Ansgar Drücker
 
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