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Zu den ausgelassenen
Freizeitbeschäftigungen, denen der gemeine Deutsche mit der ihm eigenen gravitätischen
Amtsmiene nachzugehen pflegt, gehören seit jeher das Biertrinken, Fussballglotzen
und, je nach Amtsperiode, das Über-die-CDU-oder-SPD-Schimpfen. Schon die Künstlercafés
des Sturm und Drang beweisen: die größten Probleme dieser Welt lassen
sich am besten vom Stammtisch aus lösen. Oder sagen wir mal mit gelöster
Zunge diskutieren.
Da das -ohne Zweifel gute- deutsche Bier durch den Rattenschwanz an Tankwarten und
Klempnern den es hinter sich herzieht, mehr und mehr in Verruf gerät, müssen
andere Getränke her, die hübsch langsam knallen und dabei möglicherweise
noch die Option eines sozialen Aufstiegs beinhalten. Welches Revival wäre da
fälliger als das der Cocktails. Sie sind meist drollig bunt, garantieren die
Möglichkeit der Kontaktaufnahme ("Kumma, ich hab'n viel geileres Schirmchen
als du!") und spätestens nach dem dritten ist man bettreif und stoned.
Das praktische an Cocktails ist, daß sie mehr völkerverbindendes Potential
haben als das kommunistische Manifest und -Gott hab sie selig- das Trockenpfläumchen
Mutter Teresa zusammen: Da sind zum Beispiel die Daisys mit viel Zucker und Spurenelementen
an Alkohol für Tussis, die schon bei einem halben Glas Wein ihren Namen und
bei einem ganzen ihren Anstand vergessen.
Beliebt unter Butches sind neben Krawatte vom Kostümverleih edle Klassiker wie
Martini Dry. Wer sich einfach nur schön prollig besaufen will, nimmt einen Sour
oder einen Strong Drink, da tun sich so klangvolle Namen wie "Adios Motherfucker"
hervor, die man ruhig wörtlich nehmen kann. Schwule stehen auf männliche
Bedienung und den Szenedrink "S.P.E.R.M." - und, Humor beiseite, der sieht
auch so aus und ob er so schmeckt, müssen Sie selbst herausfinden da mir sowas
ekliges nicht durch den Hals kommt. Leute, die sich durch die 70er legitimiert fühlen,
einen alkoholfreien Öko-Cocktail zu bestellen, können Sie guten Gewissens
mit Ihrem Getränk übergießen und anzünden (ich empfehle dafür
einen B'52). Es wird Zeit, daß diese Unart aus der Saufkultur verschwindet!
Wer Vitamine will, kann ja einen Joghurt essen, aber soll bitte nicht hingebungsvolle
Alkoholiker bei ihrem Gottesdienst stören.
Eine besondere Stellung nimmt inzwischen der Absinth-Cocktail ein. Einstmals der
Liebling der Künstler und Melancholiker und zu jeder Tageszeit gesoffen wie
Sprudelwasser, mutiert der Absinth heute zum Kultgetränk für all jene,
die gerne mit Drogen kokettieren, aber zu feige sind, sich eine Tüte anzuzünden.
Wie das eigentlich mit den Cocktails anfing, weiß heute keiner mehr. Der Begriff
"Cocktail", so sehr er auch an akrobatische Praktiken schwuler Exzentriker
erinnert, stammt angeblich vom südamerikanischen Hahnenkampf, bei dem entweder
dem zerbissenen Viech kurz vor der Exekution die Schwanzfeder ausgerissen und in
ein Glas Korn getunkt wurde oder aber die kratzenden Vögel nur sturzbesoffen
zum Kampf zugelassen wurden. So oder so hat die Sache irgendwie mit Sodomie zu tun
und sollte besser verschwiegen werden, wenn Sie gerade auf einer Cocktailparty den
High Society Damen ins Dekolleté glotzen. Prost Neujahr!
Obsidia |
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