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Diana
Knezevic ist ein wahres Multitalent. Eben erst hat sie als Drehbuchautorin und Regisseurin
des Kurzfilms "Nathalie" (der u.a. auch im Rahmen des Verzaubert-Festivals
zu sehen war) Aufsehen erregt, da wartet sie auch schon mit einer Eigenproduktion
aus einem gänzlich anderen Genre auf. "Die Mösenmafia - Lesben und
andere Pauschalterroristen" ist soeben im Sonnenkinder-Verlag erschienen: eine
erfrischende Sammlung von 15 satirischen, (selbst-)ironischen und erotischen Kurzgeschichten.
Monika Richrath unterhielt sich mit Diana Knezevic.
Ist der Titel "Die Mösenmafia. Lesben und andere Pauschalterroristen"
eine gezielte Provokation? Ich meine, ist dir bewusst, dass du damit für zwiespältige
Reaktionen sorgst?
"Der Titel soll widerspiegeln, dass das Buch durchaus manchmal böse und
gemein ist. Die Zielgruppe ist ja eine bestimmte. Damit will ich nicht unbedingt
die gesamte Community erreichen, sondern das Buch soll auch bitteschön nur lesen,
wer sich zutraut, zu lesen, wie degeneriert wir bisweilen auf unsere Umwelt wirken
müssen. Wenn ich schon über den Titel stolpere, dann fehlt mir der Humor
für den Rest. Im Vorwort erkläre ich es ironisch: "Ö irgendwas mit
Sex und Terror müsste in den Titel, wegen der Suchmaschinen im Internetë. Mit
dem Wort ÇMöseë haben ja schon viele Probleme. Das kann ich ein wenig nachvollziehen.
Ich kann zum Beispiel das Wort "bumsen" kaum aussprechen, ohne dass mir
übel wird. Natürlich ist der Titel provokant, aber das ist ja auch das
Ziel von Satire.
Wie muss ich mir die Mösenmafia vorstellen?
Im Grunde genommen muss man sich die Mösenmafia so vorstellen: Einerseits sind
das die vier Fußball-Lesben, die im Pauschalurlaub ganz Lanzarote platt walzen,
spanischen Kellnerinnen nachstellen und sich benehmen wie die letzten Kulturbanausen.
Andererseits sind es die lesbischen Osho-Anhängerinnen, die sich vom Begriff
der Zivilisation distanziert haben und ihr Dasein ungewaschen an den Stränden
des Südens verbringen, um dort nackt mit dem Feuer zu tanzen. Hauptsache nicht
duschen und nicht arbeiten. Zur Mösenmafia gehören aber auch, und das steht
ganz klein in einer Fußnote, die Frauen, die sich immer um die jeweilige Ex-Freundin
gruppieren. Rempelnde, böse Gestalten, die nicht mehr mit dir reden dürfen,
weil es ihnen von der Ex-Freundin verboten wurde. So oder so: es ist ein Begriff,
dem ich keine allzu große Bedeutung beimessen würde. Von mir aus hätte
das Buch auch "Salatschüssel" heißen können, aber wer sucht
Salatschüsseln im Internet?"
Das Buch enthält ja nicht nur Satire. Da stehen auch einige sehr erotische Beiträge
drin. Wieso vermengst du diese beiden Genres?
Die Sexgeschichten sind eher zur Abwechslung gedacht. Ich glaube, man kann der Satire
auch schnell überdrüssig werden, wenn man eine nach der anderen liest.
So ist das Buch eine gelungene Mischung aus Satire und Erotik. Etwas Ernstes, nachdenklich
Stimmendes ist auch dabei. Eine nette Urlaubslektüre, wenn man tatsächlich
mal am Strand von Lesbos liegt oder etwas Leichtes vor dem Einschlafen sucht."
Du hast angedeutet, schon früh mit dem Schreiben angefangen zu haben. Spürt
man da in jungen Jahren eine Art Berufung?
Lust zu schreiben hatte ich schon immer. Als Jugendliche habe ich ellenlange Reiseberichte
und Briefe verfasst. Alles, was beschrieben werden konnte, wurde bekritzelt: Servietten,
Notizzettel, Bierdeckel. Ich wollte das, was ich dort sah, festhalten, für mich
und für meine Freundinnen. Die Briefe und Notizen waren mein ganz persönliches
Fotoalbum. Ich kann nicht leugnen, dass das in der "Mösenmafia" manchmal
ähnlich ist.
Es hat lange gedauert, bis du dich dazu entschlossen hast, dein "frühes
und spätes Werk", wie es im Vorwort heißt, zu veröffentlichen.
Da war reger Zuspruch von außen nötig. Warum?
Ich habe gelernt, dass eine gute Geschichte wie ein guter Wein ist, der richtig gelagert
werden muss und erst dann schmeckt, wenn alle Kriterien erfüllt sind: wenn er
z.B. ausreichend Sonne hatte. Das gilt für den Wein. Ich persönlich stehe
auf dem Standpunkt: Eine gute Geschichte braucht guten Sex. Frisch verliebt sein,
ein süßer Kuss oder schöner Sex inspirieren mehr als Germanistik-Seminare
und Schreibkurse. Allerdings möchte ich unbedingt betonen, dass ich keine klassische
Schriftstellerin bin, nie war und nie sein werde... Dann müsste ich wohl noch
die damit einhergehenden Klischees bedienen und das tue ich bislang nur mit meinem
Zigarettenkonsum. Ich geh gerne ins Fußballstadion, lese sehr selektiv und
lasse mich lieber vom Leben selbst inspirieren als ausschließlich von Weltliteratur
oder aktueller Tagespresse.
Worum gehtís denn nun konkret in den Kurzgeschichten?
"In den Geschichten geht es zum Teil um irrwitziges westfälisches Brauchtum
oder schlicht um Westfalen im Ausland. Ich habe 16 Jahre lang im Sauerland gelebt,
bevor ich ins Ruhrgebiet und dann nach Köln umgesiedelt bin. Im Sauerland sieht
man die Welt ganz simpel, weil all die Bäume und Berge vom Rest der Welt isolieren.
Zur Horizonterweiterung bleibt dort nicht viel Raum. Wenn man dann im Ausland mit
einer fremden Kultur konfrontiert wird, habe ich das immer als ausgesprochen unterhaltsam
empfunden. Mit zunehmendem Alter und zunehmender lesbischer Orientierung kam dann
ein neuer Aspekt hinzu: die Lesbe. Die westfälische Lesbe im Ausland, mit ihrem
ganz speziellen Blick auf die Dinge. Das ist auf gar keinen Fall in irgendeiner Weise
kulturfaschistisch gemeint. Ich denke hier z.B. an die Story Kennstu? Weißtu?,
in der ein zivilisiertes Stadtlesben-Pärchen Pauschalurlaub in der Türkei
macht und dort von den zwei Hotelangestellten Ali und Mustafa auf Schritt und Tritt
verfolgt wird. Das ist nicht böse gemeint, da ist immer ein liebevoller Unterton
dabei. Schließlich muss ich als Frau in so einem Urlaub damit rechnen, auf
ein Paar Titten reduziert zu werden. Davor warnen dich ja auch alle. Es ist der leibhaftige
Vergleich zwischen den allgemein existierenden Vorurteilen und meiner subjektiven
Perspektive, gepaart mit einer Art Meta-Ebene, das macht das Besondere aus. Ich bringe
es einfach manchmal gezielt auf den Punkt und schreibe so etwas wie "Ali wollte
uns seinen kleinen Pillermann zeigen" oder behaupte, der Grieche an sich trage
einen Wollpullover im Sommer wie im Winter, wenn man seine Körperbehaarung näher
betrachtet.
Du gibst zu, dass du liebend gerne mit Vorurteilen spielst. Was genau reizt dich
daran?
"Ich bestätige Vorurteile, wobei ich davon ausgehe, dass sie oftmals einen
wahren Kern haben. Und den stelle ich dann überspitzt dar. Dabei nehme ich mich
mit all meinen Vorurteilen auch gerne selber auf die Schippe und persifliere mich
selbst oder vielmehr die Ich-Erzählerin - übrigens ist diese nicht immer
mit mir identischÖ Ich verbrate auch gerne mal Geschichten, die mir zugetragen werden.
Viele Freundinnen haben schon Angst vor mir. Aber ich bin nie respektlos."
Mit der "Mösenmafia" hältst du der "Szene" einen Spiegel
vor. Wie siehst du dich als Autorin, die selber viel in der "Szene" verkehrt?
Ich sehe mich beim Schreiben selbst nicht als Beobachterin von außen, sondern
eher als eine Art Life-Reporterin, die mittendrin ist, statt nur dabei. Was nicht
heißt, dass ich der Szene nicht auch gerne einen Spiegel vorhalten möchte.
Ich stehe auf dem Standpunkt, dass das Leben ständig in Bewegung ist, dass sich
alles entwickelt und verändert. Sprache ist z.B. ununterbrochen im Wandel und
Sexualität ebenso. Mir ist aufgefallen, dass es unter vielen Lesben nicht unbedingt
so üblich ist, flexibel auf strukturelle Veränderungen zu reagieren. Die
Probleme von gestern werden gerne zusammen geschnürt und als Päckchen mit
durchs ganze Leben getragen, obwohl es längst neue Probleme gibt. Nehmen wir
z.B. die immer noch aktuellen pro und kontra SM-Diskussionen auf LFTs, wo eine sexuelle
Spielart von einzelnen Individuen politisiert und kriminalisiert wird, obwohl wir
schon längst beim Thema Transgender sind und kaum noch eine Lesbe unter 20 ohne
Klitoris-Piercing herum läuft. Am allerwenigsten verstehe ich, wie eine (Rand)gruppe
Toleranz und Akzeptanz einfordern kann, gleichzeitig aber noch nicht mal die kleinen
Abweichungen in den eigenen Reihen duldet. Ich betrachte jede kleine Provokation
als positiv, weil sie eine neue Epoche einzuleiten vermag. Ich denke, dass nur das
Extreme gesellschaftliches Aufsehen erregt und zu Änderungen im Bewusstsein
der Menschen führen kann. Ich will nichts erfinden, wo es alles gibt. Ich will
eher den Finger in eine Wunde halten. Das tue ich gewiss an der einen oder anderen
Stelle, aber "das System" krankt ja auch hier oder da, und alle Lesben
reden darüber, doch keine darf es schreiben. Seit ich lesbisch denken kann,
ist das so.
Beim Schreiben habe ich mich oft gefragt, ob das jetzt nicht zu ehrlich ist. Andererseits
handelt es aber häufig tatsächlich um eine Beschreibung der von mir beobachteten
Wirklichkeit, und die ist wiederum so absurd, dass man es sich kaum vorstellen mag
und kann, wenn man außerhalb des Milieus steht. Wenn man aber Teil der Subkultur
ist, dann sollte man auch so ehrlich sein und zugeben, dass man in Verhältnissen
existiert, die einer kritischen Betrachtung unterzogen werden sollten. Es mag z.B.
ein gestalttherapeutisches Element der Körpertherapie sein, wenn ich mir im
Rahmen des LFTs die Brüste bemale. Aber wenn ich dann anschließend auf
den Schulhof gehe, mich im Kreis aufstelle, an den Schultern fasse und da rumhüpfe,
ist das eine absurde Selbstdarstellung, die meiner Meinung nach gar keinen Sinn und
Zweck mehr haben kann. Da muss ich mich mal neben mich stellen und mich als Akteurin
in einem solchen Kontext fragen: "Macht das überhaupt Sinn? Ist das noch
logisch, was ich hier tue? Und für wen tue ich das? Für mich oder für
eine gesellschaftliche Gruppe, die sich Lesben nennt, die aber gar keine homogene
Gruppe ist, sondern aus einem Querschnitt der Gesellschaft besteht und sich selbst
bisweilen dogmatisch separatistisch verhält?!"
Du hast dich auf Lesbenfrühlingstreffen also noch nicht amüsiert?
Natürlich habe ich auch viel Spaß auf Lesbenfrühlingstreffen gehabt,
immer wieder. Aber vieles ist auch so absurd, so weltfremd und so wenig zeitgemäß.
Und natürlich wäre es schön, wenn auch die Frauen, die regelmäßig
auf Lesbenfrühlingstreffen gehen, "Die Mösenmafia" lesen würden.
Sie möchten aber bitte davon Abstand nehmen, mich zu lynchen. Es gibt ja gemeinhin
kein Richtig oder Falsch, aber die bemalten Brustlesben könnten ja mal überlegen,
ob das, was sie tun, gut ist, bloß weil es in einem institutionalisierten Gemeinschaftsrahmen
gemacht wird. Ob es gut für sich selbst ist, meine ich. Ich habe Freundinnen,
die waren damals beim Frauenwiderstandscamp im Hunsrück und haben in Gummistiefeln
mit einer Mistgabel auf einem 5 Meter hohen Turm aus Kot herum gestanden. Die Scheiße
musste gewendet werden, alles sollte ökologisch entsorgt werden. Bis sich herausstellte,
dass das Zeug auf eine Sondermülldeponie gehörte. Manchmal ist Pragmatismus
einfach besser als den Richtlinien einer nicht näher definierten Ideologie zu
folgen. Die Freundinnen lachen heute darüber und über sich selbst.
Deine Geschichten enthalten viele Bilder ...
Ich habe mich z.B. vor Jahren mal gefragt: ÇWieso halte ich jetzt schon wieder die
Hand vor die Zigarette, obwohl ich mich in einem geschlossenen Raum befinde?í Das
verwende ich dann in einer Geschichte: Die Hand als "lesbisches, sekundäres
Geschlechtsorgan", mit der unbewusst geflirtet und geprotzt wird. Ich gehe davon
aus, dass viele Leserinnen bereits Gesehenes und Erlebtes auch wieder erkennen werden.
So schreibe ich von lesbischen Biergraphien statt Biographien oder von englischen
Lesben auf Lesbos, die ihr rosa T-Shirt nie ausziehen, das sich später als Sonnenbrand
erweist usw.
Kommen Lesben in dem Buch nun schlecht weg?
Ich betone nochmals, dass die Ich-Erzählerin in den Geschichten mindestens genauso
schlecht weg kommt, wie die gemeine Lesbe an sich. Für meine Begriffe hat die
es sogar noch wesentlich schwerer. Nach der Lektüre stellt man sich diese als
behaarten Wolfsmenschen mit Macho-Allüren vor. Aber ich glaube, dass es das
Wichtigste ist, nicht zu verlernen, über sich selbst zu lachen. Das hab ich
in vielen meiner Geschichten zum Ausdruck gebracht."
Willst du mit der "Mösenmafia" ein grundsätzliches Unbehagen
an der Lesbenszene ausdrücken?
Auf gar keinen Fall! Wenn man solche Projekte wie den Kurzfilm "Nathalie"
macht, bei dem immerhin über 60 Frauen unentgeldlich geholfen haben, bei dem
man es mit Eitelkeiten unvorstellbaren Ausmaßes zu tun bekommt, dann ist da
kein Unbehagen, sondern ganz, ganz viel Liebe und Verständnis für sehr
viele unterschiedliche Frauen!
Hast Du ein Nachfolgeprojekt in der Schublade?
Eine Persiflage auf Lesben-Krimis. Da geht es um eine schusselige Privatdetektivin,
um Sex mit Dildos, wieder mal um das Lesbenfrühlingstreffen und überhaupt
ist alles fürchterlich böse, böse... Die Story heißt übrigens:
Cora Frust allein gegen die Mösenmafia."
"Nathalie" reist derweil um die Welt und gefällt auch anderswo, z.B.
in Bangkok oder Bern. Der Kurzfilm war wahrscheinlich auch nicht ihr letzter Beitrag
in Sachen schwullesbischer Unterhaltung. Aber das letzte Wort soll hier ein O-Ton-Knezevic
sein: "Man weiß es nicht ..."
"Nathalie" hat eine sehr schön gestaltete Homepage im Internet: www.medienhuren.de
"Die Mösenmafia. Lesben und andere Pauschalterroristen" ist im Buchhandel
erhältlich oder kann für 13,00 Euro unter medienhuren@yahoo.de bestellt
werden.
Monika Richrath |
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