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Eine lustige
Tradition ist es, am Jahresende resümierend in den Fernseher zu gucken, was
denn das vergangene Jahr so an Katastrophen geliefert hat. Mit gewisser Süffisanz
schaut man sich ausgemergelte Kinder, wenig orkanresistente Häuser, gemetzelte
Wale und platzende Minenopfer an und schlägt sich diebisch lachend auf die Schenkel,
dass man all das doch wieder überlebt hat, obwohl das Monatshoroskop einem mindestens
drei mal den eigenen Tod voraussagte und man nie in die Kirche gegangen ist um die
eigene Lumpenseele freizukaufen. Auch Deutschland schneidet dann bezüglich der
Lebensqualität auf einmal gar nicht so übel ab, denn ausser ein paar Dauernazis
und Stefan Raab haben wir an Peinlichkeiten kaum etwas zu bieten. Insbesondere im
Rückblick auf das vergangene Jahr liegt das Augenmerk auf wenig erfreulichen
Geschehnissen, deshalb möchte ich diese Zeilen nutzen, um Sie auf die urkomischen
Vorfälle an der Christenfront hinzuweisen, die in den letzten zwölf Monaten
leider oft unbemerkt durch die Medien geisterten. Nachdem im Jahr 2000 mit Erzbischof
Dyba einer der letzten Inquisitoren in Deutschland das Zeitliche segnete und somit
eine Schwemme homosexuellenfeindlicher Schriften urplötzlich verebbte, rechnete
ich schon mit dem schlimmsten, nämlich einer "Leben-und-leben-lassen"-Mentalität.
Glücklicherweise wurde ich eines besseren belehrt. Im September war es Schwester
Gerlinde, eine pfälzische Biologielehrerin und "Schulschwester unserer
lieben Frau", die aus den Büchern ihrer nichtsahnenden Schüler fünfzehn
Seiten über die Fortpflanzung herausriss, sie anschliessend aufgrund einiger
Erläuterungen zur Homosexualität sogar konfiszierte und am Ende die Türen
der Schule verrammelte, nur da sie sich um die Moral ihrer Zöglinge besorgt
sah. Noch härtere Geschütze fuhr der Freiburger Bischof Genoud auf, der
Onanieren mit Alkoholsucht verglich, oder die Schweizer Geschäftsleute, die
ein Antigaypride veranstalteten und den euphemistischerweise unter dem Namen "Marsch
für die Würde und für das Leben" verkauften. Zu würdelosen
Toten erklärte uns dann auch der US-Prediger und Bushförderer Jerry Falwell,
der die Terrorattacken des 11. September für eine Antwort Gottes auf Abtreibung,
Homosexualität und Feminismus hält und dieses auch noch öffentlich
artikulieren musste, da im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ja jeder Marktschreier
mit Kruzifix eine eigene Missions-Show bekommt. Möglicherweise sind viele in
den letzten Monaten versucht gewesen, das Christentum mit freundlicher Erleichterung
anzusehen, nachdem der islamische Extremismus so fatale Konsequenzen hat. Zur Selbstkorrektur
sollte man da vielleicht doch mal einen Blick auf das Christentum und seine Kirchenlehrer
werfen: "Die Frau muss das Haupt verhüllen, da sie nicht das Ebenbild Gottes
ist." (Ambrosius) oder auch: "Mädchen entstehen durch schadhaften
Samen oder feuchte Winde." (Thomas von Aquin). In diesem Sinne, meine Damen:
Ein frohes Neues Jahr.
obsidia |
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