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Nachdem viele Fernsehsendungen nach langer Darbenszeit für die frauenliebenden
Zuschauerinnen endlich die Lesben für sich entdeckt haben, können wir mittlerweile
geradezu in lesbischen Themen schwelgen. Ob wir nun Xena, Buffy oder
Emergency Room einschalten, immer gibt es einen interessanten Handlungsbogen
um ein Frauenpaar oder eine Frau beim Coming-out, der die Freuden und Nöte von
lesbischen Frauen in den Vordergrund stellt. Richten wir unser Augenmerk auf die
Anwaltsserie Ally McBeal [dienstags, ca. 22.10 h, Vox]. Die Comedyserie aus
den USA hat es sich zur Aufgabe gemacht, so merkwürdige und skurrile Vorkommnisse,
Handlungsweisen und Gestalten wie nur irgend möglich darzustellen. Kein Wunder,
daß häufig VertreterInnen von Randgruppen und Minderheiten der Gesellschaft
auftreten, Leute, die auf irgendeine Weise "anders" sind als die "normale"
Mehrheit. Frau hätte also einigen Grund zu erwarten, daß auch irgendwann
einmal eine Lesbe auftaucht.
Und tatsächlich: In einer Episode erscheint schließlich eine Frau, die
als Anwältin für die Rechte der Frauen eintritt. Ihre bestimmte, burschikose
Art, ihr kurzgeschnittenes Haar und die Tatsache, daß sie dem klassischen weiblichen
Schönheitsideal so gar nicht entspricht, haben ihr zu dem Spitznamen "Bulldogge"
verholfen. Als sie in einer späteren Folge selbst Klientin der Anwaltskanzlei
wird, weil sie ihre Krankenkasse verklagen will, damit diese die Kosten für
eine künstliche Befruchtung übernimmt, ist die Sache klar: Natürlich
- diese Frau sieht aus wie die typische Butch, hat keinen Mann und setzt sich zu
allem Überfluß auch noch für Frauenrechte ein - kein Zweifel, sie
muß einfach lesbisch sein! Auch wenn die Ängste der Titelfigur Ally McBeal
vor gleichgeschlechtlicher Liebe mit Absicht als übertrieben und unverständlich
dargestellt sind, werden hier einmal mehr die gängigen Klischees über Lesben
bestätigt.
Etwas erfreulicher zeigt sich ein anderer Fall, in dem mit der Erwartung
der ZuschauerInnen gespielt und dieser eben nicht entsprochen wird. In einer Folge
der Serie tritt als Gaststar Sandra Bernhard auf, ihres Zeichens lesbische Ikone
in den USA, die üblicherweise auch in Filmen und im Fernsehen als Lesbe auftritt.
Mit diesem Vorwissen sieht sich das Ally McBeal-Publikum die folgenden Szenen
an: Georgia aus der Anwaltskanzlei bildet sich ein, ständig von der von Bernhard
gespielten Anwältin angestarrt zu werden, und geht ganz selbstverständlich
davon aus, daß diese Frau lesbisch ist und sie anflirtet. Auch für das
Publikum scheint die Sachlage bald eindeutig, nicht jedoch die panische Reaktion
von Georgia, die anfängt, bei sich nach Anzeichen zu suchen, die vermeintliche
Lesbe dazu gebracht haben könnten, sie selbst für lesbisch zu halten. Das
geht so weit, daß die sehr feminine, fast püppchenhafte Frau sich irgendwann
einbildet, an sich männliche Merkmale, wie etwa einen Adamsapfel, zu entdecken.
Dies ist so offenkundig überzogen, daß in diesem Fall den MitarbeiterInnen
der Kanzlei wie den ZuschauerInnen klar ist, daß dieser Gemeinplatz über
Lesben hier ganz offensichtlich nicht zutreffen kann. Schließlich stellt sich
dann auch heraus, daß der von Sandra Bernhard gespielte Charakter nur aus dem
Grund gestarrt hat, weil sie noch nie zuvor eine leibhaftige "Barbie" gesehen
habe... Daraufhin reagiert Georgia völlig entgeistert, denn als "Barbie"
bezeichnet zu werden, empfindet sie als weitaus schlimmer, als für eine Lesbe
gehalten zu werden! Diese nette ironische Wendung am Schluß der Episode macht
nicht nur deutlich, daß nicht immer alles so ist, wie es scheint, sondern auch,
daß landläufige Klischees nicht unbedingt zutreffen müssen.
Gelegentliche "Ausflüge ans andere Ufer" innerhalb der
Kanzlei haben normalerweise eine andere Ursache als Lust oder Liebe einer Frau für
eine andere Frau. Zweimal gibt es Küsse zwischen Ally und ihrer Kollegin Georgia
bzw. Ally und ihrer Sekretärin Elaine, die beide aber einzig und allein dem
Zweck dienen, einen allzu aufdringlichen männlichen Verehrer durch die fälschliche
Annahme, Ally liebe Frauen, abzuschrecken. Dabei wird allerdings der reine Täuschungscharakter
durch einen kleinen Wortwechsel zwischen Ally und Georgia wieder in Frage gestellt,
bei dem es um die Frage geht, ob evtl. doch die Zunge mit im Spiel gewesen sei...
Dieses Spiel um Schein oder Sein taucht bei Ally McBeal immer wieder auf.
In einer Szene wird Ally von ihrer Kollegin Ling gefragt, ob sie je mit einer Frau
zusammengewesen sei. Sie verneint. Daraufhin erzählt Ling ihr eine Geschichte
von "einer Freundin", die ihre erotischen Träume mit einer anderen
Frau ausgelebt habe. Dann fragt Ling, ob sie etwas mit ihr ausprobieren dürfe.
Zögernd bejaht Ally und wird nun von der anderen Anwältin aufgefordert,
ihren Finger auszustrecken, damit sie daran lecken könne. Als sie gehorcht,
stürmt Ling schreiend aus ihrem Büro und behauptet entgegen deren empörten
Widerspruch, Ally sei lesbisch...
Trotz dieses Täuschungsmanövers kommt es später in der
Serie zu einer intimeren Begegnung zwischen den beiden Frauen. Nachdem Ling eines
Nachts davon geträumt hat, Ally zu küssen, erzählt sie ihr davon.
Obwohl beide ziemlich verunsichert sind und sich erst von außen die Bestätigung
holen müssen, daß Phantasien dieser Art "normal" seien und durchaus
nichts mit Homosexualität zu tun haben müßten, beschließen
sie dennoch, es auszuprobieren, indem sie die Routine eines üblichen amerikanischen
"Date" durchlaufen. Das bedeutet, daß sie gemeinsam Essen gehen,
miteinander tanzen und sich wiederholt küssen, woraufhin beide betonen, wie
gut ihnen das gefalle. Nur das übliche Ende der Verabredung, nämlich der
berühmte "Kaffee in der Wohnung", geht ihnen doch zu weit, denn wie
beide Frauen eifrig betonen, sei das, was ihnen in einer Beziehung wirklich wichtig
sei, ein Penis. Am Schluß der Episode sind beide wohlbehalten in den Schoß
der Heterowelt zurückgekehrt - und doch werfen sich Ally und Ling, diese über
die Schulter ihres Tanzpartners, einen langen letzten Blick zu. Wie wir sehen, gibt
es auch hier wieder das Spiel mit der Wahrheit - das natürlich auch die Phantasie
ungemein anregt. Aber wenn frau die Angelegenheit konsequent und logisch durchdenkt,
ist der Verdacht nicht so leicht zu entkräften, daß die ganze Sache im
wesentlichen für den Voyeurismus des Publikums gedreht wurde. Denn nicht nur
dadurch, daß in der Serie weder vorher noch nachher eine besondere Anziehung,
geschweige denn Beziehung zwischen Ally und Ling besteht, sondern auch aufgrund der
Tatsache, daß es für beide nicht allzu schwierig und auch als durchaus
angenehm erscheint, sich, zumal in aller Öffentlichkeit, zu berühren und
zu küssen, ist es schwer verständlich, warum sie erstens vor dem "letzten
Schritt" zurückschrecken und zweitens hinterher so mühelos in ihre
alten Bahnen zurückfinden.
Dieser Verdacht des Voyeurismus erhärtet sich noch bei der Betrachtung
einer früheren Episode, in der Ally Georgia beibringt, ihren Cappuccino "richtig"
zu trinken, also ihn nicht sorglos zu schlürfen, sondern langsam zu genießen.
Die Art der Darstellung, Kameraführung, Wortwahl und sonstige Ausdrucksmittel
bieten deutliche Analogien zum Sex. Um die Erotik des Gezeigten noch mehr hervorzuheben,
stehen zwei männliche Kollegen im Türrahmen, die die beiden beobachten
und das Ganze offensichtlich sehr erregend finden. Hier treten die Charaktere innerhalb
der Serie als Stellvertreter des Publikums auf, wobei die abgedroschene, durch Pornos
geprägte Vorstellung der Lust heterosexueller Männer an Sex zwischen Frauen
deutlich zum Tragen kommt.
Zum Schluß soll noch eine Szene der Serie erwähnt werden, in der es noch
einmal um Kaffee geht (s.o.): Zwei andere Anwaltskolleginnen, die gerade unbemannt
sind, haben eine kurze, frustrierte Unterhaltung, in der Nelle behauptet, daß
Renee, obwohl sie sich nicht gerade übermäßig gut verstehen, ganz
sicher einwilligen würde, wenn sie sie auf einen Kaffee in ihre Wohnung einladen
würde. Lesbischer Sex erscheint hier also als letzte Verzweiflungstat, wenn
gerade kein Mann ins Sicht ist. Was für eine traurige Darstellungsweise!
Zum Glück existieren andere Serien, in denen Frauenliebe weder als Mittel, lüsterne
Männer als Zuschauer anzulocken, noch als "zweite Wahl" für frustrierte
Heten dargestellt ist, sondern in denen der Blick auf Lesben weitaus weniger verzerrt
ist. Schalten wir lieber um...
Jutta Swietlinski |
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