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Sie ist mittlerweile so etwas
wie ein Veteranin der Frauenbewegung. Ihr Roman "Klatschmohn - Eine Geschichte
aus der Frauenbewegung", der 1984 unter dem Pseudonym Julia Bähr erschien,
sorgte für einigen Wirbel in der Frauenszene und ist auch heute noch ein spannender
Lesestoff. Schließlich wurde in dem beschriebenen Zeitraum auch die Zeitschrift
"EMMA" gegründet. Soeben erschienen ist ihr neuestes Buch: "Männer
lassen arbeiten. 20 faule Tricks, auf die Frauen am Arbeitsplatz hereinfallen".
Ulrike Anhamm sprach mit der Autorin und Journalistin Claudia Pinl.
Entspricht alles
der Wahrheit in "Klatschmohn"?
Ja! Es ist keine Fiktion, sondern die Realität zwischen 1971 und 1977, erzählt
aus meiner Sicht, einzig einige Äußerlichkeiten sind verändert. Ich
habe alles anhand meiner alten Kalender und Protokolle verfolgt, so dass auch chronologisch
alles stimmt.
Was war die Motivation?
Ende der Siebzigerjahre saßen wir öfters zusammen und erinnerten uns an
die vergangenen Jahre, wie wir z. B. versuchten, im Kölner Dom eine Demo zu
machen. Und da kam die Idee auf, das müsste frau mal aufschreiben. Die Geschichte
der Frauenbewegung also. Außerdem hatte ich gerade eine Beziehung mit einer
Frau aus der Frauenbewegung beendet, was ich im Roman auch noch verarbeitet habe.
Daher zerfällt das Buch auch ein bisschen in zwei Teile.
Es hat aber auch Spaß gemacht, all das aufzuarbeiten. Ich denke, ich habe auch
eine satirische Ader, und es bereitete mir quasi doppeltes Vergnügen, zurückzublicken
auf das, was wir damals mit soviel Lust gemacht haben.
War es schwierig, einen Verlag zu finden?
Ich hatte bereits 1977 ein Sachbuch bei Kiepenheuer und Witsch veröffentlicht
"Das Arbeitnehmerpatriarchat - Die Frauenpolitik der Gewerkschaften" Und
als mich die Lektorin fragte, ob ich nicht wieder ein Buch schreiben wollte, erzählte
ich ihr von diesem Plan und schickte ihr 30 Seiten zu. Naja, und sie war sehr angetan.
Und so begann ich zu schreiben.
Dann gab es aber offensichtlich doch noch Schwierigkeiten, denn es gibt in "Klatschmohn"
ja etliche deutlich sichtbare Lücken, auf die schon eingangs hingewiesen wird:
"Nach Satz, aber vor Druck sah der Verlag sich gezwungen, einige Stellen des
Buches auf Betreiben von Frau Alice Schwarzer zu eliminieren bzw. abzuändern".
- Was ist passiert?
Der Verlag schickte damals die Druckfahnen herum, zwar nicht an EMMA, aber die haben
sie wohl auf einem anderen Wege erhalten. Alice Schwarzer schaltete eine Anwältin
ein und versuchte auch, auf privater Ebene, Druck auf den Verlag auszuüben.
Sie war sehr gut bekannt mit den beiden damaligen Starautoren des Verlages, Heinrich
Böll und Günther Wallraff. Beide bat sie, sich bei Verleger Neven Dumont
dafür einzusetzen, dass das Buch nicht erscheinen solle. Und beide haben das
auch tatsächlich getan.
Der Verlag ließ zunächst durch einen eigenen Anwalt das Buch überprüfen,
der auch ein paar problematische Stellen fand und die ich dann umschrieb. Und er
fordete Frau Schwarzer auf, mitzuteilen, welche Teile sie störten. Dann zählte
sie - wieder per Anwaltsbrief - fünf oder sechs Punkte auf, die wiederum durch
den Verlagsanwalt überprüft wurden. Ich bin mir nicht sicher, ob diese
Punkte noch im Satz hätten geändert werden können. Vielleicht um Alice
Schwarzer eins auszuwischen und eine zusätzlichen Werbegag zu haben, wurden
die von Frau Schwarzer bemängelten Stellen nicht korrigiert, sondern durch weiße
Stellen ersetzt.
Wie ist denn Dein
Verhältnis zu Alice Schwarzer heute?
Ich muss sagen, ich habe eigentlich kaum politische Differenzen mit ihr. Auch habe
ich sie persönlich immer bewundert für ihr Gespür, Themen aufzufinden
und zu besetzen. Aber ich fand sie auch sehr radikal. Und ihre Dominanz benutzte
sie zur Herrschaft. Zugespitzt gesagt: sie hat alles, was ihr im Wege war, plattgemacht
wie eine Dampfwalze. Deshalb hielt ich mich immer etwas zurück. Als dann die
Auseinandersetzungen mit ihr in der EMMA-Redaktion begannen, sie nur noch als Chefin
auftrat und ich mich auf die Seite derer schlug, die etwas an ihr auszusetzen hatten,
änderte sich unser Verhältnis.
Nun ist vor kurzem Dein Ratgeber "Männer lassen arbeiten" erschienen.
Was unterscheidet denn Dein Buch von den fast unzähligen anderen Titeln, die
es in diesem Bereich schon gibt?
Es gibt einen anderen Ansatz, weil ich nun doch nicht so ganz auf mein feministisches
Bewusstsein verzichten kann. Deshalb gibt es im ersten Teil eine Analyse dessen,
wie sich die Männer verhalten und im zweiten Teil geht es dann um die Ratgeberfunktion.
Es ist vielleicht die Frage, was die Leserinnen am meisten interessiert. Vielleicht
sind es doch nur die knackigen 10-Punkte-Programme im Ratgeberteil, und die Analyse
interessiert dann nicht mehr so sehr.
Aber mit den Ratschlägen allein ist es doch nicht getan?
Richtig. Denn es geht ja nun nicht nur um oberflächliche Verhaltensweisen, die
man eben schnell ändern kann. Zum Beispiel die Tatsache, dass die Frauen sich
solchen offensichtlich faulen Männern unterordnen. Du merkst zwar selber, dass
du das machst, du kriegst auch Wut, aber du kannst ja nicht sagen: "Jetzt grenze
ich mich ab sofort ab!" Das funktioniert nicht so einfach. Wenn eine Frau sich
tatsächlich abgrenzt und bestimmte Aufgaben verweigert, dann gilt sie als zickig.
Verhält sich ein Mann auf die gleiche Weise, gilt er als durchsetzungsfähig,
führungsstark. Von daher ist es eben wichtig, zu analysieren, woher das kommt.
Worüber ich selber ja nun öfter nachdenken muss angesichts der Wandlungen
in der politischen Szene, einer stärkeren Politisierung von Lesben entlang sexueller
Orientierung, also entlang lesbischer Identität, ist die Zusammenarbeit mit
Schwulen. Daran knabbere ich immer noch. In meiner Gedankenwelt besteht ein größerer
Zusammenhang von Lesben- und Frauen-Interessen. Wenn es schon keine ansatzweise anständige
Lesbenbewegung gibt, sondern jetzt zunehmend gemeinsame Sache zwischen Schwulen und
Lesben, dann stelle ich fest, dass mich das nicht so interessiert. Die allgemeinen
feministischen Zusammenhänge, die Unterdrückung aufgrund des Geschlechts,
interessieren mich viel mehr als die Unterdrückung aufgrund der sexuellen Präferenz.
Damit habe ich es natürlich zunehmend schwerer im zurzeit sich wandelnden politschen
Umfeld.
Du bist also keine Unterstützerin der Queer-Bewegung?
Ich halte einiges von der dahinter stehenden Theorie, also der Dekonstruktion der
Geschlechter, dass wir Geschlechter eben eher machen als dass wir sie sind. Es bleibt
die Frage, was für politische Schlussfolgerungen man daraus zieht. Es schärft
erst mal den Blick für Geschlechterstereotypen. Aber ob die Performance, also
dieses Spiel mit den Geschlechteridentitäten, ob sie tatsächlich die Konstruktion
von diesen zwei Geschlechtern gesellschaftlich aufzulösen vermag, da habe ich
persönlich meine Zweifel.
Ich glaube, dass dies auf eine gewisse Subkultur beschränkt bleibt und sehe
nicht die Wirkungen in die Gesellschaft hinein. Dieses "doing gender" ist
ja nicht sozusagen um seiner selbst willen da; sondern es hat ja zu tun mit der Verteilung
von Macht. Und ob du jetzt Machtverhältnisse durch so ein spielerisches Umgehen
mit diesen Rollen verändern kannst, das bezweifle ich.
Aber auch die zunehmende Zusammenarbeit von Schwulen und Lesben ist nicht Deine
Sache, oder?
Vor zwei, drei Jahren hätte ich noch gesagt: "Was für ein Quatsch,
was für ein patriarchaler Schweinkram." Aber nun werden jetzt auch Bedürfnisse
bedient, die auch für Lesben ganz wichtig sind. Sehen wir zum Beispiel die eingetragene
Lesbenspartnerschaft. Die Frauenbewegung der Siebzigerjahre, wie ich sie zuletzt
erlebt habe, bestand zu 80 Prozent aus Lesben. Das war nach außen hin nicht
sichtbar - nach innen sehr wohl. Nach innen war eine Frau, die noch heterosexuelle
Beziehungen hatte, nicht mehr p.c. - obwohl wir das Wort damals noch nicht kannten.
Damals galt: Wen ich liebe oder was ich dabei erlebe, das geht außen keinen
an, innen sehr wohl so gut wie alle.
Und ich denke, dass es für die meisten Menschen eben doch sehr wichtig ist,
nach außen hin zwar nicht unbedingt zu demonstrieren, aber dennoch darstellen
zu können, wen sie lieben oder zu wem sie gehören. Ich will ja auch nicht
einen Teil meiner Identität vor der Öffentlichkeit immer ausklammern müssen.
Ich möchte es so darstellen können, dass es akzeptiert ist oder dass es
normal ist. Das ist schon sehr wichtig und ist sicherlich auch der Grund, warum viele
Lesben jetzt mit auf den Ehe-Zug mitaufspringen.
Früher hat die Form vom "stillen Glück im Winkel", die ältere
Lesben genossen haben, mögliche diskriminierende Situationen vorweggenommen,
indem der "Vorhang" dichtgemacht wurde. Da ein normales Mittelmaß
zu finden, dass ich es eben nicht unbedingt nach außen tragen muss, es aber
selbstverständlich tun kann, darin liegt sicherlich eine Aufgabe.
Also würdest Du auf dem Weg zu dieser "Normalität" doch die
Zusammenarbeit mit schwulen Männern befürworten?
Ich bin keine absolute Gegnerin dieser Zusammenarbeit. Aber ich meine, dass Lesben,
die mit schwulen Männern Bündnispolitik machen, sich stärker der Begrenzungen
bewusst sein sollten. Ich halte auch mittlerweile schwule Männer - im Gegensatz
zu lesbischen Frauen - für eine relativ priviligierte Gruppe in dieser Gesellschaft.
Die wenigen, die ich kenne, wählen alle FDP, die ich nun nicht unbedingt als
die Avantgarde des gesellschaftlichen Fortschritts betrachte...
Und es ist ja auch interessant: Alle Frauen, die versuchen, sich gegenüber Männern
autonom zu verhalten, also sei es, dass sie sich z. B. wehren, nur Objekt zu sein,
klar nein sagen oder klar ihre Wahl treffen, dass Frauen, die beruflich Karriere
machen, sich unabhängig von Männern zeigen, die Männern zeigen, dass
sie nicht auf sie angewiesen sind, dass diese Frauen sofort das Etikett "lesbisch"
bekommen. Das finde ich, sollte Lesben zu denken geben. Männer, die Frauen solche
Etiketten geben, haben schon etwas erkannt: nämlich dass Lesben der emotionale
Grund fehlt, sich von Männern abhängig zu machen.
Deshalb glaube ich, macht es eben einen Unterschied, ob ich als homosexueller Mann
oder als homosexuelle Frau in dieser Gesellschaft stehe. Wenn ich als lesbische Frau
in dieser Gesellschaft lebe, habe ich eben Rahmenbedingungen, die die Feministinnen
etwas umfassender mit ihren politischen Forderungen bedenken als die schwul-lesbische
Community.
Welche Stolpersteine liegen den nun einer Ansicht nach in der Zusammenarbeit von
Schwulen und Lesben?
Lesben, die mit Schwulen
zusammenarbeiten, haben ja schon oft die Erfahrung gemacht, dass die Männer
die Bühne für sich reklamieren und die Frauen die weniger spannenden Zuarbeiten
machen dürfen. Und es gibt ja auch Fakten: es fließen zum Beispiel mehr
Landeszuschüsse in schwule Projekte als in lesbische.
Frauen, also auch Lesben, haben erhebliche Schwierigkeiten, die öffentliche
Bühne zu betreten.
Ich habe da ein schönes Beispiel aus der Zeit, in der ich für die grüne
Bundestagsfraktion tätig war. Zu dieser Zeit hatten wir die sich öffentlich
zu ihrer Homosexualität bekennende Jutta Oesterle-Schwerin als Abgeordnete im
Bundestag. Und die hatte einen Antrag eingebracht "Schluss mit der Zwangsheterosexualität."
Alle Gesetze sollten daraufhin überprüft werden, inwieweit sie Lesben und
Schwule diskriminieren. Und während der Pressekonferenz, auf der sie dieses
Konzept vorstellte, saß ihr MdB-Assistent namens Volker Beck dabei. Und der
hat ohne Absprache während dieser Pressekonferenz zum ersten Mal den Deckel
aufgemacht von seinem Topf, worin er das Rezept "Ehe von Schwulen und Lesben"
gekocht hatte. Das war dann natürlich die Sensation - die Presse stürzte
sich nur auf ihn und berichtete fast ausschließlich darüber. Die etwas
differenzierteren Äußerungen der MdB gingen völlig unter.
Ein klassisches Verhalten. Eine Frau käme, glaube ich, nie auf die Idee, ihrem
Vorgesetzten auf so eine Art und Weise die Schau zu stehlen. Und wenn, dann gäb's
aber schwer Zoff. Frauen lassen sich solche Dinge aber bieten. Männer nehmen
sehr direkt und ohne Rücksicht auf menschliche Verluste die öffentliche
Bühne für sich in Anspruch, während Frauen sich da immer noch einer
sehr großen Zurückhaltung befleißigen.
Solange sich das nicht ändert, wird natürlich auch die schwul-lesbische
Bündnisarbeit so aussehen, wie sie aussieht.
Die unterschiedlichen Herangehensweisen von Frauen in der Politik sind aber auch
merkwürdig: einerseits lassen sie sich stärker abschleifen als Männer
in den herkömmlichen Parteien, oder sie unterziehen sich diesen Schwesternkämpfen
wie zum Beispiel in der feministischen Partei, was oftmals schlimm ausgeht. Dann
ziehen sich einige schließlich sehr verletzt zurück. Ich glaube, Frauen
nehmen vieles zu persönlich, das ist etwas geschlechtsspezifisch erlerntes.
Da sollten Frauen sich nun auch etwas von den Männern abgucken. Diese scheinen
sich mit viel mehr Verve einfach die öffentliche Bühne zu nehmen und es
scheint sie nicht so tief zu verletzten, wenn sie mal eine Niederlage einstecken
müssen. Männer gehen damit anscheinend etwas spielerischer um. Volker Beck
hat zwar 13 Jahre gebraucht, musste sicherlich auch viele Niederlagen und Rückschläge
einstecken, aber er hat's ja nun geschafft.
Frauen müssen stärker lernen, das, was sie politisch machen, nicht hundertprozentig
mit ihrer Persönlichkeit zu verknüpfen. Da kann man Niederlagen auch besser
einstecken, weil es einen im allertiefsten Kern nicht berührt.
Aber vielleicht lernen Lesben genau dies als erste durch die Auseinandersetzung mit
schwulen Männern. Das wäre natürlich schön.
Claudia Pinls Roman "Klatschmohn" ist offiziell vergriffen; Restexemplare
sind jedoch noch zu erhalten beim Frauenbuchladen Rhiannon, Moltkestr. 66, 50674
Köln, http://www.rhiannon.de
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